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Sprengsätze waren vor einer Moschee und auf der Terrasse des Kongresszentrums in Dresden explodiert.

© REUTERS

Update

Anschläge in Dresden: SPD-Politikerin spricht von "Rechtsterrorismus"

Nach den Anschlägen in Dresden ist weiter unklar, wer die Täter sind. Ein angebliches Bekennerschreiben der Antifa ist aufgetaucht, an dessen Echtheit es aber Zweifel gibt.

Von Matthias Meisner

Nach den Sprengstoffanschlägen in Dresden ist die politische Debatte darüber entbrannt, ob Sachsen das Problem Rechtsextremismus zu lange verharmlost hat. Politiker von SPD, Linkspartei und Grünen kritisierten die CDU-geführte Landesregierung in deutlichen Worten. Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Eva Högl, sagte am Mittwoch dem Tagesspiegel, bei dem Brandanschlag auf die Moschee im Dresdner Stadtteil Cotta hätten Menschen ums Leben kommen können, "das ist auf jeden Fall Rechtsterrorismus".

Die Behörden ermitteln in Dresden in alle Richtungen. In Sicherheitskreisen wird vor voreiligen Schlüssen bezüglich der Tätergruppen und des Motivs gewarnt. Der Anschlag auf die Moschee trage die Handschrift gewaltbereiter Rechtsextremisten, der Anschlag auf das Kongressgebäude könne aber auch aus dem linken Lager kommen.

Das Schlimmste in einer solchen Situation sei Abwiegeln und Kleinreden, erklärte die SPD-Politikerin Högl in diesem Zusammenhang. "Es ist eine Lehre aus dem NSU, dass es eine Verharmlosung von rechtem Terror nie wieder geben darf. Und doch passiert es leider immer wieder."

Högl sagte weiter: "Es hat auch Gründe, warum die rechtsextreme und ausländerfeindliche Szene in Sachsen so stark ist. Rechtsextremismus ist dort zu lange verharmlost worden." Konkret kritisierte Högl, dass der Verfassungsschutz im Freistaat sich weigere, Pegida zu beobachten und auch die Verbindungen der AfD in die rechtsextreme Szene nicht in den Blick nehme.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im sächsischen Landtag, Volkmar Zschocke, bilanziert die Aktivitäten der CDU-geführten Landesregierung gegen Rechts als ernüchternd. In einem Beitrag für das Tagesspiegel-Debattenportal Causa schreibt er, die Staatsregierung und die sie prägende CDU suche der Diskussion über das Problem verfestigter rechtsextremer Strukturen aus dem Wege zu gehen. Zschocke sagte, Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) habe im Frühjahr große Entschlossenheit zum Handeln für mehr Weltoffenheit, Sicherheit und Demokratie zur Schau gestellt, gemessen daran sei die Bilanz des Handelns seiner Regierung "schwach und ernüchternd".

Über den Verfassungsschutz sagte der Grünen-Politiker: "Einen Verfassungsschutz, der sich bei rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Ausschreitungen überrascht zeigt und eine richtige Einschätzung der Gefährdungslage nicht leistet, braucht es in dieser Form nicht."

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Auch die stellvertretende Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion, Caren Lay, beklagte eine unzureichende Auseinandersetzung mit rechter Gewalt in Sachsen. Lay, deren Wahlkreis Bautzen ist, sagte im Gespräch mit dem Inforadio des RBB, die Landesregierung habe das Problem zu lange negiert. Es gebe in Sachsen eine "deutliche Verschiebung hin zu einer rechten Hegemonie". Lay sprach mit Blick auf die Anschläge in Dresden von einer "neuen Dimension des Rechtsterrorismus".

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte sich in der ARD dagegen ausgesprochen, die Taten am Montagabend in Dresden bereits als Rechtsterrorismus zu werten. Man müsse die Ermittlungsergebnisse abwarten. Mit Blick auf die Zunahme rechtsextremer Gewalttaten in Deutschland sprach er allerdings von einer besorgniserregenden Lage. "Es ist die Bildung rechtsterroristischer Strukturen in Deutschland in Betracht zu ziehen."

Behörden prüfen angebliches Bekennerschreiben

Nach den Anschlägen in Dresden war am Dienstagabend ein Bekennerschreiben aufgetaucht, in dem die Antifa vermeintlich die Verantwortung für die Anschläge übernimmt. Die Echtheit werde noch geprüft, sagte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin". Experten äußerten Zweifel an der Echtheit.

Das Schreiben war auf der Antifa-Internetseite "linksunten.indymedia.org" veröffentlicht worden, dort wurde es aber relativ bald wieder gelöscht. Experten hätten es gesichert, sagte Ulbig. Er erklärte: "Welche Bedeutung man ihm beimessen kann, ob es echt ist, wird derzeit geprüft."

Im Internet war noch eine Ansicht des Bekennerschreibens verfügbar. In den Kommentaren darunter wird es mit Hinweis auf zahlreiche Rechtschreibfehler und andere Ungereimtheiten als eine Fälschung bezeichnet.

Die Moderatoren von indymedia.org verweisen darauf, das "jeder User" einen Beitrag auf ihrer Seite posten könne. Da das Schreiben fast zeitgleich in vielen rechten Facebook-Gruppen aufgetaucht sei, rieche es stark nach "Segeln unter falscher Flagge".

Gruppen, die gegen die Einheitsfeiern in Dresden sind, nannten das Bekennerschreiben ein "Fake". Die Antifa Dresden schrieb auf Twitter: "Billig zusammengeschustert ist nicht so unser Stil". Sie warf rechten Gruppen vor, dahinter zu stecken.

Die Echtheit dieses angeblichen Bekennerschreibens wurde im Netz sofort angezweifelt.
Die Echtheit dieses angeblichen Bekennerschreibens wurde im Netz sofort angezweifelt.

© indymedia

Der Sprecher der Dresdner Generalstaatsanwalt Wolfgang Klein sagte Radio Dresden mit Blick auf solche und ähnliche Bekennerschreiben: "Gerade bei aufsehenerregenden Straftaten kommt es leider immer wieder vor, dass Trittbrettfahrer versuchen, daran zu partizipieren. Das erfordert größte Sorgfalt bei der Auswertung und man muss vorsichtig sein bei der Bewertung, bevor nicht endgültige Ergebnisse vorliegen. Genau so gehen wir auch vor."

Der Sender berichtete, bereits in der Vergangenheit seien entsprechende Bekennerschreiben gefälscht worden. Es handele sich dabei um Propaganda-Tricks, um der politischen Gegenseite die Verantwortung in die Schuhe zu schieben. Selbst wenn das Schreiben schnell als "Fake" entlarvt wird, ist es zunächst im Netz und wird tausendfach als Screenshot insbesondere auf extremistischen Seiten geteilt.

Auch Pegida-Gründer Lutz Bachmann und andere Anti-Asyl-Initiativen in Sachsen verbreiteten das angebliche Bekennerschreiben. Bachmann behauptete, er habe aus Ermittlerkreisen des für extremistische Straftaten zuständigen Operativen Abwehrzentrums der Polizei Sachsen erfahren, dass der Text bereits geprüft werde.

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Am Montagabend waren in Dresden innerhalb kurzer Zeit vor der Tür einer Moschee und auf der Terrasse des Kongresszentrums Sprengsätze explodiert. Menschen wurden nicht verletzt. Zum Zeitpunkt des Anschlages befand sich der Imam mit seiner Frau und seinen beiden sechs und zehn Jahre alten Söhnen in der Moschee in Dresden-Cotta. Die Polizei fand an den Tatorten Reste professionell gebauter Sprengsätze.

Die Ermittlungen liefen derzeit in alle Richtungen, sagte Ulbig. Wenn jemand gegen eine Moschee vorgehe, könne man eine rechtsextremistische oder zumindest ausländerfeindliche Tat nicht ausschließen. Derzeit liefen Zeugenbefragungen, Spuren würden ausgewertet. "Wir hoffen, dass wir sehr schnell den oder die Täter identifizieren werden." Im Landtag in Dresden erklärte Ulbig: "Sprengstoff ist keine Meinungsäußerung, sondern ein Verbrechen." Bundesinnenminister de Maizière hatte den Anschlag auf die Moschee am Dienstagabend in den ARD-Tagesthemen verurteilt als "mit das Schäbigste, was man sich an Taten vorstellen kann".

Zur zentralen Einheitsfeier am kommenden Wochenende und Montag in Dresden werden hunderttausende Besucher sowie Politprominenz wie Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet. In dem Kongresszentrum ist am Montag ein Empfang des Bundespräsidenten geplant. Zudem sind rund um den 3. Oktober knapp ein Dutzend Versammlungen unter anderem von der antiislamischen Pegida-Bewegung und von linken Gruppen angemeldet. (mit dpa, AFP, epd)

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