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Der Hariri-Prozess wurde am Donnerstag eröffnet.

© AFP

Anschlag im Libanon: Prozess um Hariri-Mord wird von Anschlag überschattet

Jahrelang wurde im Hariri-Mordfall ermittelt, jetzt hat der Prozess begonnen. Doch die Chancen, dass dieses Verfahren dem Bombenterror im Libanon ein Ende setzt, sind sehr gering. Zeitgleich mit dem Prozessbeginn explodiert in der Bekaa-Ebene eine Autobombe.

In der nordöstlichen Stadt Hermel starben nach Angaben der Armee am Donnerstag drei Menschen, als eine Autobombe auf einer belebten Straße detonierte. Mehr als 40 Menschen wurden dabei verletzt. Hermel gilt als Hochburg der schiitischen Bewegung Hisbollah. Seit Jahren bestimmt Bombenterror das Leben im Libanon. Das Libanon-Sondertribunal hat jetzt einen ersten Schritt getan, um diesen Teufelskreis der Gewalt in dem arabischen Land zu durchbrechen. In einem Vorort von Den Haag begann am Donnerstag der Prozess gegen die mutmaßlichen Mörder des früheren Regierungschefs Rafik Hariri.

Die pro-iranische Hisbollah soll das Attentat auf Hariri am 14.Februar 2005 in Beirut geplant haben, bei dem außer dem sunnitischen Politiker noch 22 Menschen gestorben waren, darunter ein mutmaßlicher Selbstmordattentäter. Noch ist nicht klar, ob auch die beiden Verbündeten der Hisbollah - Syrien und der Iran - an der Verschwörung beteiligt waren. Angeklagt sind in dem Verfahren bislang vier Libanesen. Sie sind alle Angehörige der Hisbollah. Der kanadische Ankläger, Norman Farrell, erwähnte die Hisbollah am ersten Prozesstag jedoch mit keinem Wort. Die Bewegung bestreitet jede Beteiligung an dem Anschlag.

Erster der 500 Zeugen soll am kommenden Montag verhört werden

Saad Hariri, der Sohn und politische Erbe Rafik Hariris, sagte vor dem Gerichtssaal: „Es ist ein sehr trauriger Tag für mich und für die anderen Angehörigen der Opfer, weil wir feststellen mussten, dass diejenigen, die sich an den Teufel verkauft und Rafik Hariri getötet haben, Libanesen sind.“ Außerdem beklagte er, dass bislang keiner der Verdächtigen verhaftet wurde, weshalb die Anklagebank in Den Haag am Donnerstag leer blieb. Mehrere Angeklagte sollen noch Jahre nach der Tat unbehelligt im Libanon gelebt haben, wo die Hisbollah inzwischen an der Regierung beteiligt ist. Mindestens einer der Angeklagten soll sich in den Iran abgesetzt haben.

Trotzdem betonte Hariri Junior: „Dies ist ein historischer Tag, der für die Gerechtigkeit im Libanon eine neue Seite aufschlägt.“ Auch der Ankläger zeigte sich am ersten Prozesstag zuversichtlich. Er kündigte an, er wolle über 500 Zeugen aufrufen. Der erste Zeuge soll am kommenden Mittwoch aussagen.

Farrell schilderte den Ablauf des Attentates, bei dem zwischen 2500 und 3000 Kilogramm Sprengstoff eingesetzt wurden, anhand von Fotos und Videoaufnahmen. Er sagte, den Drahtziehern des Attentates auf Hariri sei es damals nicht gelungen, alle Beweise zu vernichten. Der Anschlag hatte damals zu politischen Verwerfungen geführt, in deren Folge die einstige Schutzmacht Syrien ihre Truppen aus dem Libanon abziehen musste. Er führte außerdem zu Spannungen zwischen der Hisbollah und den Sunniten, die bis heute andauern. Verschärft haben sich diese Spannungen zuletzt dadurch, dass die Hisbollah Milizionäre in den syrischen Bürgerkrieg geschickt hat, wo sie auf der Seite der Truppen von Präsident Baschar al-Assad kämpfen.

Zum jüngsten Terroranschlag sich der örtliche Ableger der Al-Kaida-nahen Al-Nusra-Front bekannt. Bei der Explosion einer Autobombe im Bezirk Hermel waren am Donnerstag drei Menschen getötet und mehr als 40 weitere verletzt worden. Das Gebiet im Nordosten des Landes ist eine Hochburg der schiitischen Hisbollah-Bewegung. Der Anschlag sei eine Vergeltung für die sunnitischen Opfer des Bürgerkriegs im unmittelbar benachbarten Syrien, hieß es in dem Bekennerschreiben, das über den Kurznachrichtendienst Twitter verbreitet wurde. Zuletzt waren vor zwei Wochen in einer Hochburg der Hisbollah in Beirut sechs Menschen getötet worden.

Libanesen bezweifeln, dass das Tribunal zu sozialer Gerechtigkeit führt

Dass der Prozess in Den Haag den Bombenterror in ihrer Heimat beenden wird, bezweifeln viele Libanesen. Denn erstens bringt ein Prozess ohne Angeklagte den Angehörigen der Opfer keinen Seelenfrieden. Und zweitens ist zu befürchten, dass der Urteilsspruch die Feindschaft zwischen den beiden politischen Lagern noch verschärfen wird. Saad Hariri lebt schon seit Jahren im Ausland, weil er Angst hat, er könnte sonst das nächste Anschlagsopfer sein.

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