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Arabische Länder: Vollschleier-Verbot: Leiser Beifall für Europa

Auch in arabischen Ländern gibt es Versuche, den Vollschleier zu verbieten. Regierungen in Syrien, Ägypten und Saudi-Arabien gehen gegen islamische Hardliner vor.

Als Frankreich vergangene Woche als zweites europäisches Land den islamischen Gesichtsschleier verbot, erhielten die Pariser Senatoren Beifall von ungewohnter Seite. „An Europa und Frankreich möchte ich als Botschaft schicken – der Niqab hat keine Grundlage im Islam, er schadet vielmehr dem Ansehen des Islam“, erklärte Abdel Muti Al-Bayyumi, Mitglied des Hohen Rates der Geistlichkeit an der Kairoer Al-Azhar Universität, der höchsten Lehrautorität der sunnitischen Muslime. Mit dieser Meinung weiß er nicht nur seinen Chef, Großscheich Ahmed al-Tayeb, hinter sich, sondern auch die ägyptische Regierung.

Ausgelöst hatte die Debatte der inzwischen verstorbene Großscheich Mohammed Said Tantawi, als er bei einem Schulbesuch ein verschleiertes 12-jähriges Mädchen rüde abkanzelte und aufforderte, ihr Gesicht zu zeigen. Ihre Kopfbedeckung habe nichts mit dem Islam zu tun, schimpfte der Chefgelehrte und ließ anschließend Campus und Wohnheime der Al-Azhar für voll verhüllte Studentinnen sperren. Aufgeregte Proteste und zahlreiche Gerichtsverfahren waren die Folge, bei denen die renommierte Anstalt bislang Sieger blieb. Zahlreiche Universitäten, ja sogar Restaurants und Clubs, haben sich dem Verbot angeschlossen. Im kommenden Semester will Erziehungsminister Hany Helal auch verschleierte Professorinnen aus den Hörsälen verbannen.

Auch andere arabische Regime scheinen entschlossen, stärker Front zu machen gegen die Ausbreitung ultrastrenger islamischer Sitten. In Syrien wurden 1200 Lehrerinnen, die den Niqab tragen, aus dem Schuldienst entlassen und in Bürojobs versetzt, wo sie keinen Kontakt mehr zu Kindern haben. Frauen mit Gesichtsschleier dürfen sich an Universitäten nicht mehr immatrikulieren. Man wolle die Ausbreitung „extremer Ideen und Praktiken verhindern“, erklärte ein Sprecher des Erziehungsministeriums. Der Niqab sei der syrischen Kultur fremd und eine „ideologische Invasion“. Gleichzeitig wurden viele Imame entlassen, andere müssen den Sicherheitsbehörden jede Woche ein Tonband mit ihrer Freitagspredigt vorlegen. Gefragt nach der größten Herausforderung der Gegenwart nannte Syriens Präsident Baschar al-Assad kürzlich „den Extremismus in der Region“ und die Aufgabe, „unsere Gesellschaft so säkular zu halten, wie sie heute ist“.

Selbst der saudische König Abdullah, auf dessen Territorium die strengen salafitischen Lehren ihre Wurzeln haben, zieht die Zügel stärker an. Hunderten von Pädagogen wurde bereits „wegen extremer Ansichten“ gekündigt, 2000 Imame wegen radikaler Predigten aus dem Moschee-Dienst entfernt. Jetzt wies der Monarch erstmals das Fatwa-Unwesen auf Satelliten-Kanälen und im Internet in die Schranken. Künftig dürfen nur noch von ihm berufene Mitglieder aus dem Hohen Rat der Geistlichkeit Fatwas erlassen. Mehrere Websites und Radioshows wurden bereits abgeschaltet, mit denen islamische Gottesdeuter bisher ihre skurrilen Urteile etwa über das Töten der „satanischen“ Mickymaus propagierten.

Das harte Vorgehen gegen Niqab und Fatwa-Flut allerdings ist mehr als ein frommer Konflikt um ein Stück Stoff oder Auswüchse islamischer Lebensberatung. Denn die Befürworter des Vollschleiers berufen sich nicht primär auf den Koran, sie pochen vor allem auf ihre Religions- und Meinungsfreiheit. Für sie ist die komplette Verhüllung der Frauen eine demonstrative Rebellion gegen ein System, das sie für korrupt, autokratisch und inkompetent halten. Diese Botschaft scheint inzwischen angekommen. Immer mehr moderate Muslime und säkulare Regime fühlen sich von den islamistischen Hardlinern herausgefordert. Für sie ist der Niqab-Streit ein willkommener Anlass, um ein Fanal zu setzen gegen die wachsende Totalopposition im Namen Gottes.

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