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Arabische Welt: Unruhen in Syrien und Libyen: Keiner kann gewinnen

In Syrien geht das Regime von Präsident Bashar al Assad brutal gegen die Opposition vor – in Libyen dagegen gerät Machthaber Muammar al Gaddafi immer mehr in die Enge.

Keine Ruhe in der arabischen Welt: Syriens Regime fühlt sich schon forsch als Sieger, in Libyen aber feiert die Nato bei den Kämpfen gegen Gaddafi Erfolge.

Hunderte Tote, tausende Verhaftete sowie zahlreiche Städte unter der Kontrolle von Panzern – nach zwei Monaten blutiger Unterdrückung scheint Syriens Regime offenbar überzeugt, den Machterhalt zu schaffen. „Ich hoffe, wir erleben bald das Ende der ganzen Geschichte“, erklärte eine enge Beraterin von Präsident Bashar al Assad der „New York Times“. „Ich glaube, wir haben jetzt die gefährlichste Phase hinter uns. Ich hoffe es“, sagte Bouthaina Shaaban während eines einstündigen Gespräches, zu dem der im Libanon akkreditierte Reporter für wenige Stunden nach Damaskus reisen durfte. Ansonsten lässt Syrien seit Mitte März keine ausländischen Journalisten ins Land, so dass Amateurfilme und Augenzeugenberichte über Satellitentelefone praktisch die einzige Informationsquelle sind.

Während das Regime seine Verhaftungen im ganzen Land fortsetzte, rief die Opposition zu landesweiten Demonstrationen auf. Nach Angaben von syrischen Menschenrechtlern sind mittlerweile mindestens 750 Menschen gestorben, über 8000 wurden festgenommen, viele von ihnen werden schwer gefoltert. Panzer und Soldaten halten weiter die Städte Banias, Homs, Tafas und Deir el-Zor sowie den Vorort Maadamiyeh von Damaskus besetzt. Jede Nacht durchkämmen Mitglieder der Staatssicherheit Wohnblocks mit Namenslisten und suchen nach Organisatoren des Aufstands. Internet und Handynetze sind seit Wochen unterbrochen. Das brutale Vorgehen des syrischen Regimes ähnelt sehr dem Vorgehen 2009 im Iran, als der umstrittene Präsident Mahmud Ahmadinedschad in einer wochenlangen Gewaltkampagne ebenfalls tausende Regimegegner verhaften und foltern ließ. Syrien ist der engste Verbündete des Iran in der arabischen Welt. Schon zu Beginn der Unruhen schickte Teheran offenbar „Berater“ nach Damaskus, zusammen mit elektronischem Gerät, mit dem sich auch Satellitentelefone lahmlegen lassen.

Die EU gab in Brüssel bekannt, dass der jüngere Assad-Bruder Maher sowie der Cousin Rami Makhlouf des syrischen Präsidenten nicht mehr einreisen dürfen. Ihr Vermögen wird eingefroren. Maher al Assad führt die berüchtigte vierte Division an, die zwei Wochen lang die Stadt Daraa im Süden belagert und beschossen hat. Makhlouf ist der mächtigste Wirtschaftsmagnat des Assad-Clans. Beide stehen auf einer Liste von 13 offiziellen Vertretern des Regimes, für die die neuen EU-Sanktionen gelten. Zu der Gruppe gehören auch die Chefs des allgemeinen und des militärischen Geheimdienstes, nicht jedoch der Präsident selbst.

In Libyen gibt es zeitgleich eine neue Offensive der Nato. Kampfjets dröhnten im Tiefflug über Tripolis, am Dienstagmorgen stand eine schwarze Rauchwolke über der libyschen Hauptstadt. Nahe Misrata lagen reihenweise Raketenwerfer von Gaddafis Truppen in Trümmern. In Zintan gingen mehrere unterirdische Waffendepots in Flammen auf. Nato-Kampfjets haben ihre Einsätze über Libyen in den letzten 48 Stunden erheblich ausgeweitet. Mindestens acht schwere Explosionen waren in der Nacht zu Dienstag nach Angaben von Augenzeugen allein in Tripolis zu hören - die schwersten Angriffe seit Wochen.

Auch das Hauptquartier von Machthaber Muammar Gaddafi, der seit dem letzten Beschuss vor elf Tagen nicht mehr öffentlich aufgetreten ist, wurde erneut getroffen, die Zentrale des militärischen Geheimdienstes komplett zerstört. Unterdessen wird auch in Tripolis das Benzin knapp, die Nato-Seeblockade führt im Alltag der Bewohner zu immer mehr Einschränkungen. „Das Spiel ist aus“, hatte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen zu Beginn der Woche an die Adresse von Muammar Gaddafi erklärt. Der Diktator müsse „besser früher als später realisieren, dass es für ihn und sein Regime keine Zukunft gibt“. Er sei mehr und mehr isoliert. Seine Zeit laufe ab. Denn auch den Rebellen in Misrata gelang es offenbar erstmals, Gaddafis Belagerungsring im Westen der Stadt zu sprengen, nachdem zuvor zahlreiche Grad-Raketenwerfer von den Alliierten ausgeschaltet worden waren. Auch in die Front bei Ajdabija im Osten des Landes kam Bewegung. Nach eigenen Angaben rückten die Rebellen in den letzten Stunden wieder auf die Ölstadt Brega zu, wo sich Gaddafis Truppen bisher verschanzt halten. Nach Angaben der oppositionellen Zeitung „Brnieq“ erfasste der Aufstand gegen Gaddafi inzwischen sogar mehrere Vororte von Tripolis. Bewohner hätten sich den Rebellen angeschlossen und planten einen Protestmarsch in Richtung Stadtzentrum. Abtrünnige Offiziere der Staatssicherheit hätten sie mit leichten Waffen versorgt. Solche Meldungen lassen sich allerdings von unabhängiger Seite nicht überprüfen.

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