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Argentinien: Die Tricks des Präsidentenpaars

Wie Cristina und Nestor Kirchner versuchen, in Argentinien an der Macht zu bleiben

Die Hegemonie des Präsidentenpaars Cristina und Nestor Kirchner steht bei den Parlamentswahlen am heutigen Sonntag auf der Kippe. 28 Millionen Argentinier werden die Hälfte des Abgeordnetenhauses und ein Drittel des Senats neu wählen, in denen die Kirchners derzeit noch eine deutliche Mehrheit haben. Umfragen zufolge könnte diese jedoch kippen.

Das Institut Equis sagt Einbußen von zehn bis 13 Prozent der Stimmen für das Regierungslager voraus. In der bevölkerungsreichsten Provinz Buenos Aires, wo 35 Abgeordnete neu gewählt werden, zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab zwischen der regierenden, linksperonistischen Liste, die vom Präsidentinnengatten Nestor Kirchner angeführt wird, und der Liste der rechtsperonistischen Dissidenten unter dem Unternehmer Francisco de Narvaez.

Im Hauptstadtdistrikt, sowie in den bevölkerungsreichen argentinischen Provinzen Cordoba, Santa Fe und Mendoza sagen die Wahlumfragen wiederum eine Niederlage des Regierungslagers gegen verschiedene rechte und linke Listen voraus.

Argentinien hat sich nach der großen Finanzkrise von 2001/2002 unter der Herrschaft des Ehepaars Kirchners politisch polarisiert. Hört man Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner zu, steht es um Argentinien so gut wie schon lange nicht mehr. Die Armut im Land sei während ihrer Regierungszeit und der ihres Mannes und Amtsvorgängers von 54 auf 20 Prozent gesunken, die Wirtschaft um 66 Prozent gewachsen, verkündet Fernandez. Die Bevölkerung könne nun zwischen der Fortsetzung des erfolgreichen Modells und dem neoliberalen Chaos wählen.

Doch ganz so sicher scheint sie selbst nicht zu sein: Wegen ihrer sinkenden Popularität nach einem Steuerkonflikt mit den Sojabauern, wegen einer drohenden Rezession in diesem Jahr und einem Liquiditätsengpass, den sie nur dank der Verstaatlichung der Rentenkassen überbrücken konnte, ließ Fernandez de Kirchner die eigentlich Ende des Jahres geplanten Wahlen um einige Monate vorziehen. Und erfand dann auch noch die „candidaturas testimoniales“: populäre Regierungspolitiker wie etwa der Gouverneur der Provinz Buenos Aires, Daniel Scioli, lassen sich als Listenerste aufstellen, haben jedoch nicht die Absicht, das Amt wirklich anzutreten sondern würden es an den nächstplatzierten abtreten. Tricks, die von der zersplitterten Opposition kritisiert aber nicht verhindert werden konnten.

Auch mit der Wirtschaft springen die Kirchners ähnlich um. Ökonomen beklagen die frisierten Zahlen seit der Intervention des Nationalen Statistikinstituts durch die Regierung im Jahr 2007. Die Inflation lag privaten Forschungsinstituten zufolge 2008 bei 22 statt den offiziell gemeldeten sieben Prozent. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist Universitätsstudien zufolge wieder tiefer geworden. Der Gini-Index, der die Einkommensverteilung misst, ist Forschern von der Universität Buenos Aires und La Plata zufolge nach Verbesserungen in den drei Jahren zwischen 2003 und 2006 wieder auf dem Niveau von 1999, vergleichbar der Einkommensverteilung von Simbabwe. Der katholischen Universität zufolge liegt die Armut in Wahrheit bei 30 Prozent.

Daten, die Kirchner-Konkurrent Narvaez gerne aufgreift. Der in Kolumbien geborene Unternehmer und Medienzar sieht sich als Erbe des neoliberalen, rechtsperonistischen Ex-Präsidenten Carlos Menem und warnt vor weiteren Verstaatlichungen etwa der Banken und vor Einschränkungen der Pressefreiheit. Ermittlungen wegen angeblicher Verwicklung in Drogengeschäfte und ungerechtfertigter Bereicherung – die von ihm als „schmutziges Wahlkampfmanöver“ abgetan werden – versetzten Narvaez zwei Wochen vor der Wahl jedoch einen schweren Schlag.

Der Verlust der Mehrheit würde die Kirchners nach Ansicht des Publizisten Andres Oppenheimer zu Mäßigung und Konzertation zwingen. „Ein Schritt weg vom Autoritarismus in die richtige Richtung“, schrieb er im „Miami Herald“.

Doch die Opposition sei völlig zersplittert und habe keinen landesweit populären Anführer, warnte vor den Wahlen die Soziologin Doris Capurro. Der Schriftsteller Tomás Eloy Martinez zog eine ernüchternde Bilanz in einem Kommentar für „La Nación“: „Sowohl der selbstherrliche Regierungsstil der Kirchners als auch die ideenlose, zersplitterte Opposition bedrohen die Stabilität Argentiniens.“

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