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Politik: Argentinien: Waffenschieber im Palast-Arrest

Der argentinische Ex-Präsident Carlos Menem, der das Land bis Dezember 1999 zehn Jahre lang regierte, sitzt seit Donnerstag faktisch in Haft. Dem ehemaligen Staatsoberhaupt wird vorgeworfen, Chef einer "illegalen Verbindung" gewesen zu sein, die in den Jahren 1991 bis 1995 falsch deklarierte Waffen an Kroatien sowie an Ecuador, das sich zu dieser Zeit im Kriegszustand mit Peru befand, geliefert haben soll.

Der argentinische Ex-Präsident Carlos Menem, der das Land bis Dezember 1999 zehn Jahre lang regierte, sitzt seit Donnerstag faktisch in Haft. Dem ehemaligen Staatsoberhaupt wird vorgeworfen, Chef einer "illegalen Verbindung" gewesen zu sein, die in den Jahren 1991 bis 1995 falsch deklarierte Waffen an Kroatien sowie an Ecuador, das sich zu dieser Zeit im Kriegszustand mit Peru befand, geliefert haben soll. Die insgesamt neun Lieferungen waren offiziell für Panama und Venezuela bestimmt und wurden per Geheimdekret von Menem und vier seiner damaligen Minister "legalisiert", darunter auch dem heutigen Wirtschaftsminister Domingo Cavallo.

Der schillernde Ex-Präsident, der erst vor knapp einer Woche durch die Heirat mit dem chilenischen Modell und Fernsehstar Cecilia Bolocco erneut zum Medienstar avancierte, wurde festgenomen, weil er sich nicht zu einem Verhör bereit erklären wollte. Am Donnerstagnachmittag wurde Menem per Hubschrauber in die geräumige Villa eines Freundes geflogen, wo er nun unter Hausarrest steht. Seine geplante Hochzeitsreise nach Syrien musste Menem vorerts streichen.

Das juristische Netz zieht sich immer enger um den Ex-Präsidenten, ein Prozess ist wahrscheinlich. Menems Ex-Schwager und ehemals rechte Hand, Emir Yoma, sitzt bereits im Gefängnis und auch der damalige Verteidigungsminister Erman Gonzalez wartet in Haft auf seinen Prozess. Mitte dieser Woche wurde schließlich Martin Balza, Militärchef unter Menem und berühmt geworden durch seine offizielle Entschuldigung für die Vergehen der Militärs während der Diktatur 1976 bis 1983, nach seiner Aussage vor dem Richter vorläufig in Haft genommen. Zahlreiche Zeugenaussagen belegen, dass diese ehemals engen Mitarbeiter Menems über den wahren Zielort der Waffen unterrichtet waren. Immer unwahrscheinlicher wird, dass Menem selbst nichts von der Sache gewusst haben soll.

Im Fall der argentinischen Waffenlieferungen an Kroatien hatte die Verteidigung Menems sich bisher inoffiziell darauf berufen, dass dieser Deal auf Veranlassung der USA zu Stande gekommen sei. Washington weist diese Behauptung entschieden zurück. "Wir haben keinerlei Anhaltspunkte für die Vermutung gefunden, dass wir die argentinischen Autoritäten zu illegalen Aktivitäten ermuntert haben", erklärte auch Peter Romero, der für Lateinamerika zuständige Sekretär im US-Außenministerium.

Noch vor kurzem hätte die Nachricht einer möglichen Verhaftung Menems große Auswirkungen auf die fragile politische Landschaft in Argentinien gehabt. Doch in den letzten Monaten hat die Aufdeckung zahlreicher Korruptionsfälle im Zusammenhang mit Menems Privatisierungspolitik, wie zum Beispiel eine Sechs-Millionen-Zahlung des spanischen Telekom-Konzerns Telefonica im Gegenzug zu einer Erhöhung der Telefontarife, dem Ansehen des Ex-Präsidenten in seiner Partei und in der Bevölkerung stark geschadet.

Menem solle "wie jeder normale Bürger seine Aussage machen und sich der Justiz zur Verfügung stellen", erklärte sein Parteigenosse, der Gouverneur Manuel de la Sota. Ein kleiner Haufen der Getreuen um den Ex-Präsidenten bemühte sich mit ganzen Busladungen von bezahlten Demonstranten aus Menems Heimatprovinz La Rioja, eine große Gefolgschaft vor dem Gerichtsgebäude aufmarschieren zu lassen. Doch der erhoffte "Volkszorn" blieb aus. "Sie glauben doch wohl nicht, dass wir bei all den derzeitigen schweren Problemen einen Marsch auf die Gerichte von Buenos Aires organisieren werden", sagte ein anderer starker Mann der peronistischen Partei, der Gouverneur Carlos Reutemann.

Argentinien leidet nach drei Jahren schwerer Rezession unter großen sozialen Problemen und konnte sich vor kurzem nur durch eine freiwillige Umschuldung vor einem Zahlungsausfall retten. Der politische Abgang des über 70-jährigen Ex-Präsidenten, der bei der nächsten Wahl im Jahre 2003 erneut kandidieren wollte, könnte dazu beitragen, die komplizierte politische Landschaft in Argentinien zu vereinheitlichen und der Regierung die Durchsetzung ihrer Wirtschaftsprogramme zu erleichtern, meinen Beobachter.

Anne Grüttner

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