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Tote bei Unruhen in Bangkok

© dpa

Armee kontra Regierungsgegner: Eskalation in Thailand: 21 Tote bei Straßenschlachten

UPDATE In Thailand sind die wochenlangen Proteste von Regierungsgegnern am Wochenende in Straßenschlachten mit der Armee eskaliert. Mindestens 21 Menschen wurden getötet.

Bei den blutigsten Unruhen in Bangkok seit dem Aufstand von 1992 sind am Wochenende in Straßenkämpfen zwischen Regierungstruppen und Oppositionellen mindestens 21 Menschen ums Leben gekommen, darunter mehrere Soldaten und ein japanischer Kameramann. Fast 900 Menschen wurden verletzt. Touristen flohen in Panik aus den in Kampfzonen verwandelten Stadtgebieten, wo die sogenannten Rothemden, Anhänger des 2006 gestürzten Premiers Thaksin Shinawatra, mit selbst gebastelten Granatwerfern, Molotowcocktails, Messern und auch Schusswaffen Jagd auf Sicherheitskräfte machten und Panzerwagen in ihre Gewalt brachten.

Die Regierung beteuerte, Sicherheitskräfte hätten bloß Gummigeschosse eingesetzt. Berichten zufolge wiesen jedoch mehrere Todesopfer Kopfschüsse auf, als seien sie standrechtlich erschossen worden. Viele Rote zeigten am Sonntag bei neuen Demonstrationen offen ihre Waffen. Der „Schwarze Samstag“, so bezeichneten thailändische Medien die Kämpfe, erschütterte Thailands schon so tief angeschlagenes kollektives Bewusstsein. Bevölkerung und Medien forderten verzweifelt ein Einlenken, doch die Führer beider Seiten bleiben hart.

Zwar hatten die Rothemden beim Protestbeginn am 12. März eine friedliche Kampagne versprochen, mit dem Ziel, Premier Abhisit Vejjajiva durch zivilen Ungehorsam zur Ausrufung von Neuwahlen zu zwingen. Doch wie ein Gentleman offerierte Premier Abhisit den Roten sogar Busdienste und eigene Protestzonen, weshalb sich die Roten vergangene Woche gezwungen sahen, ihre Proteste schrittweise eskalieren zu lassen. Die Lage entspannte sich zwar am Sonntag. Doch die Fronten sind unversöhnlicher denn je. Die Rothemden lehnen Gespräche mit der Regierung ab. „Wir verhandeln nicht mit Mördern“, sagte ein Sprecher der Demonstranten.

Abhisit weigert sich, dem gewaltsamen Druck der Straße nachzugeben. Und wieder kursieren Putschgerüchte, wonach Hardliner ein für alle Mal mit den Roten aufräumen wollen. Demnach hätte eine Drittpartei das Blutbad angezettelt, um Generälen einen Vorwand zu geben. Truppen und Demonstranten, so Zeugenberichte, seien mit gezielten Schüssen aus Häusern angegriffen worden. Die Roten, die am Sonntag vier am Samstag gekidnappte Soldaten freiließen, demonstrieren mit verblüffender Ausdauer. Was anfangs als chaotische Aktion anmutete, erhielt Strukturen. Müde Anhänger werden tagtäglich durch frische aus der Provinz ersetzt. Die breite Bangkoker Bevölkerung meidet die Proteste weiter, doch mit dem Blutbad am Samstag kann Abhisit nicht länger nur auf Zeit und Zermürbung setzen. Dabei sehen die Roten nur zu klar, dass sie keine Mehrheit repräsentieren. Am Sonntag verjagten sie unter Buhrufen alle Medienleute, weil die angeblich parteiisch berichteten.

Die blutige Tragödie vom Samstag markiert ein doppeltes Déjà-vu für Thailand. Vor genau einem Jahr flohen asiatische Regierungschefs einen von Roten gestürmten Staatsgipfel in Pattaya, worauf in Bangkok blutige Uruhen ausbrachen. 2008 hatten die royalistischen sogenannten Gelbhemden eine Kampagne des zivilen Ungehorsams verfolgt, die in der Besetzung von Bangkoks Flughäfen gipfelte.

Rot und Gelb, beide behaupten sie, für Demokratie zu kämpfen, dabei geht es mit Thailand seit Jahren nur immer abwärts. Seit der umstrittenen Regierungszeit von Thaksin läuft in Thailands Politik nichts mehr, wie es soll. Thaksin hatte sich vom Populisten zum Autokraten gewandelt, Medien drangsaliert und politische Gegner über die Justiz kaltgestellt. Die Nation begrüßte den „Blumenputsch“ im September 2006, doch ein unermüdlich aus dem Exil gegen die Putschisten wetternder Thaksin und Doppelstandards in Justiz und Politik vermochten die Ära Thaksin zu verklären.

Damals herrschte ein Klima der Angst. Heute gibt sich Thaksin als Messias der Demokratie, und auch wenn er es nicht geschafft hat, eine „People’s Power“ nach dem Vorbild der Philippinen auf die Straßen zu bringen, so sind Zehntausende gewillt, in seinem Namen zu kämpfen. Eine Kampagne des Hasses der Roten hat weite Landesteile im wahlentscheidenden ärmlichen Norden und Nordosten des Landes so weit gebracht, sich als Opfer von Bangkoker Profiteuren zu sehen.

Daniel Kestenholz[Bangkok]

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