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Artillerie in Wohngebieten: Israel rügt eigene Militärs wegen des Gazakriegs

Die israelische Armee hat zwei ranghohen Militärs eine Rüge erteilt, weil diese mit dem Einsatz von Artilleriefeuer in Wohngebieten während des Gazakriegs Menschenleben gefährdeten. Erstmals hat Israel damit zugegeben, dass der Armee damals, 2008/2009, Fehler unterlaufen sind.

Nach dem Vorwurf der Kriegsverbrechen während der dreiwöchigen Offensive hatte Israel am Freitag bei den Vereinten Nationen in New York eine schriftliche Antwort übergeben. Seitdem sind Details aus dem Dokument bekanntgeworden, wie der Fall der beiden ranghohen Offiziere.

Danach sprach der Oberkommandierende des Südabschnittes eine Rüge sowohl gegen den Divisionskommandanten des Gazastreifens als auch den Kommandanten einer Infanteriebrigade aus. Sie wurden der Missachtung des Befehls für schuldig befunden, keine Artillerie gegen Ziele einzusetzen, bei denen unnötig Zivilisten gefährdet würden. Wie die Tageszeitung „Haaretz“ meldete, ging es Israel in seiner Stellungnahme zum sogenannten Goldstone-Report über den Gazakrieg, der sogenannten Operation Gegossenes Blei, nicht um den Beschuss mit Phosphorgranaten, sondern um denjenigen mit Artillerie. Der Einsatz von leichtentzündlichem weißem Phosphor zur Erhellung des Zieles wurde ausdrücklich als gerechtfertigt erklärt in dem Verfahren, dass bereits im vergangenen Juli stattgefunden hat. Menschenrechtsorganisationen haben Israel wegen der Verwendung von Phosphorgranaten scharf kritisiert.

Der ehemalige Vizegeneralstabschef Dan Harel, seinerzeit verantwortlich für die Untersuchung „außerordentlicher Ereignisse“ während des Krieges, erklärte nun – wie mehrere Politiker auch –, dass es ein Unterlassungsfehler gewesen sei, die Tatsache der beiden Disziplinarverfahren nicht zu veröffentlichen. Tatsächlich hätte sich Israel womöglich sehr viel politischen Ärger ersparen können. Dann nämlich, wenn der vom südafrikanischen Richter Richard Goldstone geleitete, von der UN-Menschenrechtskommission eingesetzte Untersuchungsausschuss über mögliche Kriegsverbrechen im Gazakrieg von den Rügen für die beiden höchsten Offiziere erfahren und Israel damit den Beweis angetreten hätte, dass es die Kriegsführung selbst untersucht und Konsequenzen daraus zieht.

Der Goldstone-Report, den Verteidigungsminister Ehud Barak jetzt erneut als „voreingenommen, einseitig und irreführend“ verurteilt hat, beschuldigt Israel und in viel geringerem Maße die Hamas der Kriegsverbrechen und verdächtigt die israelische Armee der Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Hamas behauptet in ihrer Stellungnahme, sie habe niemals zivile, nur militärische Ziele angegriffen. Eine Lüge – schließlich hatte die Hamas damals mit ihren Raketenattacken geprahlt. Israel wiederum lehnte jede offizielle Zusammenarbeit mit dem Goldstone-Ausschuss ab und weigert sich auch jetzt noch in seiner Antwort an den UN-Generalsekretär, eine spezielle Untersuchungskommission einzusetzen.

Doch seit Wochen tobt ein Meinungsstreit in der Regierungsspitze über die Einsetzung eines Gremiums, um doch noch den UN-Forderungen formell gerecht zu werden. Letztlich wird wohl eine Art Überprüfungskomitee ernannt, das die Untersuchungsergebnisse absegnen soll. In Jerusalem befürchtet man, dass ohne eine auch von der UN akzeptierte Klärung der Kriegsereignisse am Haager Gerichtshof Anklage wegen Kriegsverbrechen erhoben werden könnte und israelische Spitzenpolitiker und -militärs bei Auslandsreisen mit der Verhaftung rechnen müssen.

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