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Politik: Asyl: Karlsruhe verbessert Schutz für Flüchtlinge

Pro Asyl rechnet damit, dass nach einem Spruch des Bundesverfassungsgerichts zum Asyl für Bürgerkriegsflüchtlinge zahlreiche Verfahren neu aufgerollt werden müssen. Der Sprecher der Flüchtlings-Arbeitsgemeinschaft, Heiko Kauffmann, begrüßte die Karlsruher Entscheidung am Mittwoch als "ersten Schritt, der natürlich noch nicht ausreicht".

Von Matthias Meisner

Pro Asyl rechnet damit, dass nach einem Spruch des Bundesverfassungsgerichts zum Asyl für Bürgerkriegsflüchtlinge zahlreiche Verfahren neu aufgerollt werden müssen. Der Sprecher der Flüchtlings-Arbeitsgemeinschaft, Heiko Kauffmann, begrüßte die Karlsruher Entscheidung am Mittwoch als "ersten Schritt, der natürlich noch nicht ausreicht". Nach seinen Worten wird die Gerichtsentscheidung aber "weit reichende Konsequenzen für vergleichbare Fallkonstellationen haben". Das "generelle deutsche Dogma" von der Staatlichkeit als Kriterium politischer Verfolgung sei "so nicht haltbar".

Das Bundesverfassungsgericht hatte in einer am vergangenen Freitag veröffentlichten Entscheidung zur Klage von zwei Afghanen die bisherige Asyl-Rechtssprechung korrigiert (Aktenzeichen: 2 BvR 260/98 und 1353/98). Danach bleibt es zwar grundsätzlich dabei, dass ein Asylanspruch nur bei "staatlicher Verfolgung" besteht. Die Richter lockerten aber die Voraussetzungen, unter denen eine asylrechtsrelevante "quasi-staatliche" Verfolgung anzunehmen ist.

Die Kläger waren in Afghanistan für das gestürzte kommunistische Regime tätig. Das Bundesverwaltungsgericht hatte ihnen Asyl versagt, weil eine Herrschaftsorganisation nur dann zu politischer Verfolgung fähig sei, wenn sie auf einer nach innen und außen völlig stabilisierten territorialen Herrschaftsmacht beruhe. In einem andauernden Bürgerkrieg wie in Afghanistan gebe es eine solche nicht. Dagegen reagierte das Bundesverfassungsgericht auf die Tatsache, dass die Taliban den weitaus größten Teil des Afghanistans seit sechs Jahren beherrschen. Die Frage der Verfolgung beurteile sich folglich maßgeblich danach, ob es zumindest in einem "Kernterritorium" ein "durch Befehl und Zwang ordnendes Herrschaftsgefüge" gebe, in das der Verfolgte eingebunden sei.

SPD und Grüne nannten die Entscheidung "wegweisend". Grünen-Fraktionschefin Kerstin Müller sagte dem Tagesspiegel: "Wir setzen uns dafür ein, dass nichtstaatliche Verfolgung endlich auch in Deutschland generell anerkannt wird, wie das die Genfer Flüchtlingskonvention schon lange fordert." SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler sprach gegenüber dieser Zeitung von einer "sehr begrüßenswerten Klarstellung" und einer "Wiedergutmachtung in eigener Angelegenheit". Das Bundesverwaltungsgericht habe "sehr einseitige Schlüsse" gezogen. Mit dem Spruch aus Karlsruhe werde zum Wortlaut des Grundgesetzes zurückgekehrt, der politischen Verfolgten grundsätzlich Asyl zuspricht. Das UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR erklärte, eine "vorhandene Schutzlücke im deutschen Asylrecht" sei verkleinert worden.

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