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Atomausstieg: Union stichelt gegen Vereinbarung

Mit gezielten Nadelstichen gegen den Atomausstieg sorgt die Union erneut für Unruhe in der großen Koalition. Die SPD hält aber an den Plänen strikt fest.

Berlin - Forderungen von Niedersachsens Ministerpräsident und CDU-Vize Christian Wulff nach Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke über das Jahr 2021 hinaus wurden am Donnerstag von der SPD strikt zurückgewiesen. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte, die Union irre, wenn sie glaube, der Atomausstieg sei "allein Sache der Grünen". Andere SPD-Politiker warnten davor, den Koalitionsvertrag anzutasten, und verlangten von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ein "Machtwort".

Wulff hatte in der "Hannoverschen Zeitung" (Donnerstag) erklärt: "Wir werden an den bisherigen Zeitplänen zur Abschaltung von modernsten Kernkraftwerken nicht festhalten können." Angesichts steigender Energiekosten müsse neu über die Nutzung der Atomkraft nachgedacht werden. Ihn störe es, dass der im Jahr 2000 von Rot-Grün mit den Energieversorgern vereinbarte Atomausstieg im Vertrag für die große Koalition in Berlin festgeschrieben worden sei. Dieser sei deshalb nachzubessern.

Dies hatte kürzlich auch Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) angedeutet. Er hoffe, dass trotz Koalitionsvertrag das letzte Wort noch nicht gesprochen sei, sagte er vor kurzem in einem "FAZ"- Gespräch. "Bei der Versorgung mit Strom wird auch in Zukunft die Kernkraft eine wichtige Rolle spielen." Das hat mehrfach auch der Baden-Württembergs Regierungschef Günther Oettinger (CDU) verlangt.

Im schwarz-roten Koalitionsvertrag heißt es: "Zwischen CDU, CSU und SPD bestehen hinsichtlich der Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung unterschiedliche Auffassungen. Deshalb kann die am 14. Juni 2000 zwischen Bundesregierung und Energieversorgungsunternehmen geschlossene Vereinbarung (...) nicht geändert werden."

Verträge seien einzuhalten, verlangte Gabriel in der "Frankfurter Rundschau" (Freitag). Den Atomausstieg wollten nicht nur die Grünen, sondern auch die SPD. Die Kernenergie berge "unverantwortbare Risiken". Strikt wandte er sich auch gegen Versuche der Energiewirtschaft, die Laufzeit älterer Atomkraftwerken durch eine Übertragung von Strommengen zu verlängern. "Das widerspräche dem Geist des Atomausstiegsvertrags." Im Streit über ein sicheres atomares Endlager sprach sich der Umweltminister gegen eine Vorfestlegung auf den Standort Gorleben in Niedersachsen aus.

SPD-Energieexperte Marco Bülow und der SPD-Wirtschaftspolitiker Rainer Wend wiesen Wulffs Vorstoß zur Aufweichung des Atomausstiegs zurück. "Wenn das angetastet wird, steht meines Erachtens die ganze Koalition in Frage", sagte Bülow der "Netzeitung". Wend gab zu erkennen, SPD-Fraktionschef Peter Struck habe die Abgeordneten "zu Recht ermahnt", sich nicht von solchen Unions-Vorstößen provozieren zu lassen.

Grünen-Fraktionsvize Reinhard Loske sagte: "Die hohen Strompreise sind vor allem das Ergebnis von mangelndem Wettbewerb auf den Energiemärkten." Je länger abgeschriebene Atomkraftwerke am Netz blieben, desto geringer seien die Anreize zur umweltverträglichen Modernisierung der Anlagen. (tso/dpa)

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