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Nein, danke. Mit der Katastrophe in Japan hat der Widerstand gegen Atomkraft in Deutschland wieder an Dringlichkeit gewonnen. Foto: imago/Engelhardt

© imago stock&people

Atomausstieg: Unmut, Widerspruch, Bestätigung

Merkels und Westerwelles Atomwende finden nicht alle in der Koalition gut – Umweltminister Röttgen aber freut sich

Von
  • Robert Birnbaum
  • Antje Sirleschtov

Berlin - Norbert Röttgen nutzt die Gunst der Stunde. Noch bevor der Umweltminister am Mittwoch dem Umweltausschuss des Bundestages über die jüngsten Atombeschlüsse der Regierung berichtet, können die Abgeordneten wissen, wie sich der Christdemokrat die Zukunft der Atomkraft in Deutschland vorstellt: kurz. „Wenn’s nach mir ginge, müssten wir schneller als beschlossen aus der Kernenergie aussteigen“, hat Röttgen dem „Stern“ gesagt. Indirekt nennt er sogar Daten: Deutschland werde „sicher noch 10 bis 15 Jahre“ lang Atomkraftwerke betreiben. Übersetzt man diese Jahreszahlen in Politik, will Röttgen das Rad der schwarz-gelben Atompolitik komplett zurückdrehen. Denn der rot- grüne Atomkonsens hatte das Aus für das jüngste der deutschen Akw etwa auf das Jahr 2021 terminiert – Schwarz-Gelb peilte bisher eine Zeit um 2035 an.

Die Rechnung dürfte denen in der Koalition gar nicht gefallen, die sich nur murrend Angela Merkels und Guido Westerwelles rasanter Wende in der Atompolitik fügen. In der Unionsfraktion ist am Dienstag Widerspruch laut geworden und weiterer Unmut an hochroten Köpfen sichtbar. Trotzdem geht die Fraktionsspitze davon aus, dass es an diesem Donnerstag im Bundestag nach Merkels Regierungserklärung keinen offenen Widerstand gegen einen Entschließungsantrag geben wird. In dem Papier, das Union und FDP gemeinsam formuliert haben, wird das dreimonatige Moratorium für die Laufzeitverlängerung begrüßt, die vorläufige Abschaltung der sieben ältesten Reaktoren hingegen nur „zustimmend zur Kenntnis“ genommen – von neuen Zielvorgaben für Atomlaufzeiten kein Wort.

Tatsächlich wollen die Kritiker aus der Union sich vorerst nicht öffentlich äußern. Die Dissidenten in der FDP sind da schon weiter. „Das ist die persönliche Meinung“ des Ministers, sagt der oberste Finanz- und Wirtschaftspolitiker der Fraktion, Hermann Otto Solms, zu Röttgens Zahlenspiel. Solms mag auch nicht ohne Weiteres in das zustimmende Nicken über die Absicht der Regierung einfallen, angesichts der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima die Sicherheit der deutschen Reaktoren auf den Prüfstand zu stellen. Schließlich, sagt er, sei bereits im schwarz-gelben Atomgesetz zur Verlängerung der Laufzeiten eine Anhebung der Sicherheitsstandards und eine regelmäßige Sicherheitsüberprüfung enthalten. Nach Fukushima hätte man diesen Teil des Gesetzes einfach abarbeiten können.

Die Ankündigung der Regierung allerdings, die sieben Meiler befristet vom Netz zu nehmen, hält Solms für bedenklich. „Es gibt dafür gar keine objektive Notwendigkeit“, sagt der FDP-Politiker und äußert die Sorge, dass aus der Schließung der sieben Akw für drei Monate eine endgültige Abschaltung wird. „Das wäre ein großer Fehler“, sagt er. Ob er dem schwarz-gelben Entschließungsantrag zustimmt, will er sich offenhalten.

Schon einen Schritt weiter ist der Berliner Liberale Martin Lindner. „Ich werde dem Antrag nicht zustimmen“, sagt er. Und zwar in erster Linie wegen der Sofortabschaltung der sieben Kraftwerke. Das sei „sicherheitstechnisch nutzlos“ und „energiewirtschaftlich schädlich“, sagt Lindner. Er habe monatelang das Energiekonzept der Bundesregierung verteidigt, das auf der Notwendigkeit aller Atomkraftwerke zur Sicherung der Energiebasis beruhe. Also müsse Deutschland aus dem Ausland Atomstrom kaufen, wenn sieben Meiler vom Netz gehen. „Das will ich nicht mitmachen“, sagt Lindner.

Vor allem fürchtet Lindner, dass die Abschaltung der sieben Kraftwerke Fakten schafft, die in einer aufgeheizten Stimmungslage politisch nie mehr rückgängig zu machen sind. „Da ist noch nicht das letzte Wort gesprochen“, warnt der Freidemokrat. Röttgen hingegen dürfte genau auf diesen Lauf der Dinge setzen.

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