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"Irgendwo muss das Zeug halt hin", hat der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann vor einem knappen Jahr gesagt. Damit begann der Versuch, einen Endlagerkonsens zu finden.

© dpa

Atomendlager: Ein strahlendes Problem

Noch nie standen die Chancen für Neustart in der verfahrenen Endlagersuche besser. Doch die Forderung der Koalition in Niedersachsen, Gorleben von vornherein auszuschließen, könnte dafür sorgen, dass alles so bleibt, wie es ist.

Das größte Hindernis auf dem Weg zu einem Konsens über ein Atomendlager sind Landtagswahlen. Erst hat der unerwartete Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen vergangenes Jahr einen Abschluss der Verhandlungen zwischen Bund und Ländern, Regierung und Opposition über einen Neustart bei der Standortsuche verhindert. Dann kam auch noch der damalige Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) abhanden.

Danach haben taktische politische Spielchen aller Beteiligten einen Abschluss rechtzeitig vor der Landtagswahl in Niedersachsen verhindert. Die künftige rot-grüne Landesregierung wiederum hat sich kategorisch darauf festgelegt, einem neuen Standortsuche nur zuzustimmen, wenn auf den umstrittenen Salzstock in Gorleben von vornherein verzichtet wird. Das sehen jedoch alle anderen Länder anders. Sie wollen Gorleben genauso behandeln wie alle anderen möglichen Standorte auch.

Die Chancen für einen Neustart in der verfahrenen Endlagersuche, die vor 37 Jahren mit der überwiegend politisch motivierten Entscheidung für Gorleben begonnen hat, standen eigentlich nie besser. Vor einem knappen Jahr sagte der damals neue grüne Ministerpräsident in Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, dass er sich einer neuen Standortsuche unter Einschluss seines Bundeslandes nicht verschließen würde. Die Regierung in Bayern zog mit. Monatelang wurde über ein Endlagersuchgesetz verhandelt. Ein Kompromiss war in Reichweite – und das gilt bis heute. Nur läuft den Akteuren langsam aber sicher die Zeit davon. Sie brauchen in den nächsten Tagen einen Termin, um sich endgültig zu einigen, denn sonst wird es ihnen nicht mehr gelingen, das Gesetz rechtzeitig vor der Bundestagswahl noch durch das Parlament und die Länderkammer zu bringen.

Dabei liegt inzwischen ein Diskussionsvorschlag vor, der – mit Ausnahme der künftigen niedersächsischen Landesregierung – niemandem mehr Probleme bereiten dürfte. In dem Papier heißt es mit Blick auf Gorleben: „Der Salzstock Gorleben wird wie jeder andere in Betracht kommende Standort gemäß den festgelegten Kriterien in das Standortauswahlverfahren einbezogen.“ In jedem Verfahrensabschnitt könne Gorleben herausfallen, wenn sich herausstellt, dass der Salzstock den Sicherheitskriterien nicht entspricht. Die Verhandler kommen Niedersachsen weit entgegen. Denn weiter heißt es: „Der Salzstock Gorleben dient nicht als Referenzstandort für andere zu erkundende Standorte.“ Für Gorleben spreche auch nicht von vornherein, dass dort bereits viel Geld ausgegeben wurde, und viel in die Forschung investiert worden ist.

Die grüne Spitzenkandidatin für den Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, warnte ihre Parteifreunde in einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ deshalb auch vor einem „politischen“ Ausschluss Gorlebens aus dem Suchverfahren: „Dann wären wir zurück auf null – und wieder bei Gorleben.“ Jürgen Trittin, ebenfalls grüner Spitzenkandidat, mühte sich derweil die niedersächsische Position so zu interpretieren, dass sie zum Einigungsvorschlag passt. Als Argumentation bot er seinen Parteifreunden in Niedersachsen im Deutschlandfunk folgende Wendung an: Es gehe bei der Forderung nach einer weißen Landkarte offenbar nicht um eine prinzipielle Vorfestlegung zu Gorleben – sondern darum, dass SPD und Grüne verhindern wollten, dass der Standort die Kriterien für alle anderen denkbaren Endlager für hochradioaktiven Müll liefere. So interpretiere er die Aussagen aus Hannover, sagte Trittin.

Der künftige Ministerpräsident in Hannover, Stephan Weil (SPD), forderte am Sonntag die Einrichtung einer „nationalen Ethikkommission“ zur Endlagersuche. Im Kompromissentwurf heißt es dazu, es solle ein „gesellschaftliches Begleitgremium“ eingesetzt werden, das „pluralistisch zusammengesetzt“ sei und Einsicht in alle maßgeblichen Unterlagen bekommen solle. Zudem wird eine umfassende Bürgerbeteiligung auf allen Stufen des Verfahrens versprochen. Genau die könnte angesichts der Verzögerungen bei der Einigung allerdings als Erstes unter die Räder kommen. Der Wunsch, den der Umweltminister Baden-Württembergs, Franz Untersteller (Grüne), vor gut zwei Wochen äußerte, nämlich einen Konsensentwurf noch vor der Befassung im Bundestag einer „freiwilligen Bürgerbeteiligung“ zu unterziehen, dürfte angesichts des Zeitdrucks kaum noch zu schaffen sein. Denn ein Termin für die definitiv letzte Beratung über das Endlagersuchgesetz steht noch immer nicht fest.

Ein mit den Verhandlungen auf der Fachebene Vertrauter sagte dem Tagesspiegel, Rot-Grün in Niedersachsen riskiere mit der Forderung, Gorleben aus dem Standortsuchverfahren von vornherein auszuschließen, „dass alles bleibt, wie es ist“. Und das würde bedeuten, dass es bei Gorleben als einzigem Standort für ein Atomendlager für hochradioaktive Abfälle bliebe. Dass eine neue Bundesregierung zum Ende des Jahres noch einmal einen neuen Anlauf unternimmt, einen Endlagerkonsens zu finden, ist wohl eher unwahrscheinlich.

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