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Atomenergie: Strahlende Zukunft

Schwedens Kurswechsel bei der Atomenergie hat auch in Deutschland die Debatte neu entfacht. Die deutsche Kernindustrie freut sich.

Berlin - Die auch in Schweden umstrittene Entscheidung der konservativen Regierung, den Neubau von Kernkraftwerken wieder zuzulassen und die derzeit betriebenen Atommeiler durch größere Reaktorblöcke zu ersetzen, hat in Deutschland den Streit über die Nutzung der Kernenergie neu entfacht. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla wertete das Votum der Schweden als „klares Signal, dass die Kernenergie als Bestandteil eines breit gefächerten Energiemixes noch immer nötig ist“. Zwar wolle die Union keine neuen Atomkraftwerke in Deutschland bauen, aber sie strebe entgegen den Regelungen des derzeit geltenden Atomgesetzes eine Verlängerung der Laufzeiten für die hierzulande betriebenen Kernkraftwerke an. SPD-Umweltstaatssekretär Michael Müller warnte die Union daraufhin davor, den Atomausstieg in Deutschland rückgängig zu machen. Dann nämlich könne es zu „massiven Auseinandersetzungen in der Gesellschaft kommen“, weil alte Konflikte um die Risiken der Atomenergie neu aufbrächen. Der konservativen schwedischen Regierung warf Müller „eine völlig kurzsichtige Politik“ vor, denn die Zukunft der Energieversorgung liege eindeutig bei den erneuerbaren Energien und der Steigerung der Energieeffizienz.

Allerdings sind es die Schweden nicht allein, die auf eine Renaissance der Kernkraft setzen. So will Silvio Berlusconi in Italien, das bislang auf die Kernkraftnutzung verzichtet hat, den Bau von bis zu fünf Reaktoren durchsetzen. Großbritannien drängt auf den Ersatz der derzeit betriebenen 19 Kernkraftwerke durch eine neue Reaktorgeneration, in Bulgarien ist der Neubau eines Kernkraftwerks bereits beschlossen, Tschechien will das umstrittene KKW Temelin um zwei weitere Blöcke erweitern, und auch in Polen sind die Vorbereitungen für den Bau eines Atomkraftwerks in der Nähe von Danzig bereits angelaufen. Zudem wollen Bulgarien und Slowenien aus Sicherheitsgründen bereits abgeschaltete Meiler wieder anfahren. In Finnland und Frankreich laufen, wenn auch mit diversen Pannen und erheblichen Kostensteigerungen, die Errichtungsarbeiten für den neuen Europäischen Druckwasserreaktor (EPR). Obwohl diese Anlagen mittlerweile mit Kosten von jeweils vier Milliarden Euro zu Buche schlagen, hat Frankreich bereits den Bau eines zweiten EPR am Ärmel kanal angekündigt.

Weltweit erwartet die Branche bis zum Jahr 2030 den Bau von bis zu 400 neuen Atomkraftwerken. Allein in China sollen bis 2020 rund 30 zusätzliche Meiler entstehen, und auch Indien hat erst kürzlich eine Vereinbarung zum Bau von sechs neuen Kernkraftwerken unterzeichnet. Insgesamt geht es um ein Projektvolumen von annähernd einer Billion Euro. Konzerne aus ganz Europa bringen sich derzeit in Stellung, um ein möglichst großes Stück von diesem Kuchen zu ergattern. Allen voran der französische Branchenriese Areva, an dem der Siemens-Konzern mit 34 Prozent beteiligt ist. Als oberster „Verkäufer“ der Areva-Blöcke fungiert dabei Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy, der nahezu jeden Staatsbesuch nutzt, um für Reaktortechnologie „Made in France“ zu werben. Entsprechende Abkommen schloss er bereits mit Libyen, Abu Dhabi, Marokko, Brasilien, China und Indien. Sarkozy ebnete auch dem französischen Gaskonzern GDF Suez den Weg in dieses lukrative Geschäftsfeld: Der Konzern wurde als Betreiber am zweiten EPR-Projekt beteiligt und plant nun auch den Bau solcher Reaktoren in Belgien. Gemeinsam mit dem französischen Mineralölkonzern Total, der bereits vor längerer Zeit angekündigt hat, in das Geschäft mit der Kernenergie einzusteigen, engagiert sich GDF auch für das EPR-Projekt am Persischen Golf.

Das Problem von Areva: Der deutsche Partner Siemens will sich aus dem Unternehmen zurückziehen und seine Anteile für zwei Milliarden Euro abtreten. Angeblich sind die Münchner mit ihrem geringen Einfluss auf die operative Areva-Führung unzufrieden. Aus dem Reaktorgeschäft aussteigen will Siemens indes nicht: Erst vor wenigen Tagen hat Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin Siemens eine „vollwertige Partnerschaft“ für Atomprojekte auf dem eigenen Markt, in Deutschland und in Drittländern angeboten. Diese Offerte soll allerdings auf Bedenken der Bundesregierung stoßen. Ob Siemens Areva demnächst mit den Russen Konkurrenz macht oder aber die Putin-Offerte lediglich nutzen will, um den Einfluss auf den Nochpartner Areva zu erhöhen, ist derzeit offen.

Auch die deutschen Energieversorger Eon und RWE wollen ihr Engagement im internationalen Kernenergiesektor ausbauen: Gemeinsam haben sie sich für den Bau und Betrieb neuer Kernkraftwerke in Großbritannien beworben. Zudem erhielt RWE den Zuschlag für Bau und Betrieb des bulgarischen KKW Belene, während sich Eon um den Bau eines weiteren KKW in Finnland bemüht.

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