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© DAVIDS/Tantussi

Atomenergiebehörde: Mohammed al Baradei: Der Aufseher

IAEA-Chef Mohammend al Baradei steht vor dem Ende seiner Amtszeit - klare Worte scheut er nicht.

Berlin - Vorschnelle Schlüsse und Schuldzuweisungen sind nicht seine Art. Akkurat, an Fakten orientiert, meist besonnen und freundlich hat der gelernte Jurist Mohammed al Baradei seine Arbeit als Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien gemacht. Eine Arbeit, die hochpolitische Auswirkungen hat und immer wieder enormem politischem Druck ausgesetzt war. Und so will der 66-Jährige am Mittwoch in Berlin auch noch nicht in den internationalen Chor einstimmen, dass Iran den Kompromiss zur Weiterverarbeitung von Uran im Ausland abgelehnt hat. „Ich habe bisher keine schriftliche Antwort Irans bekommen“, sagt al Baradei, der auf Einladung der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung in Berlin ist, wenige Tage bevor er am 1. Dezember sein Amt nach 12 Jahren an den Japaner Yukiya Amano abgibt. Die Äußerungen von Irans Außenminister Mottaki vom Vortag, nach denen Iran sein Uran nicht aus dem Land geben werde, wurde allgemein als Absage Irans gewertet.

Der Friedensnobelpreisträger will die letzte Chance nutzen, eine weitere Konfrontation aufzuhalten. Dazu richtet er in der Bundespressekonferenz in Berlin einen flammenden Appell an die iranische Führung, diese „einzigartige Chance“ zu nutzen, den Konflikt zu entschärfen. „Der Ball liegt im Feld des Iran“, sagte al Baradei, und es sei die „erste Gelegenheit seit Beginn des Atomkonfliktes, von Konfrontation auf Kooperation umzustellen“. Der Vorschlag, dass Iran sein leicht angereichertes Nuklearmaterial in einem Drittland wie der Türkei lagert, bis es aus dem Westen neue Brennstäbe für einen medizinischen Reaktor geliefert bekommt, enthalte genug Sicherheitsgarantien für das Land, das aus gutem Grund misstrauisch sei. Dabei schaut er dem iranischen Journalisten, auf dessen Frage er antwortet, intensiv in die Augen und man hört den unausgesprochenen Appell mitschwingen, er möge dies in dieser Deutlichkeit nach Teheran übermitteln.

Das Abkommen würde die Türen öffnen für Gespräche mit den USA über eine Vielzahl von Themen – dies habe ihm US-Präsident Barak Obama persönlich versichert. Die unwillige Haltung Irans muss den Atomaufseher frustrieren – hat er doch jahrelang Schläge von der Regierung von dessen Vorgänger Bush eingesteckt. Die fand ihn zu nachsichtig mit Iran und auch für ein irakisches Waffenprogramm lieferte al Baradei keine Indizien. So musste die US-Regierung sie schließlich erfinden. Al Baradei ist zu sehr Diplomat, um sich etwas anmerken zu lassen. Aber er lässt durchschimmern, dass Iran wohl noch nicht begriffen habe, dass es Obama mit der ausgestreckten Hand ernst meine.

Der Jurist aus Ägypten macht gleichzeitig noch einmal deutlich, dass er nicht an die Wirksamkeit von Sanktionen glaubt. „Sanktionen stärken die Regierung und machen ein Land kompromissloser.“ Im Falle Iraks hätten die Sanktionen „furchtbare Auswirkungen“ für die Bevölkerung gehabt, aber keinen Einfluss auf das Regime. Gerade weil es im Konflikt mit Iran über „zukünftige Intentionen“ gehe, nämlich die Frage, ob das Land eine Atombombe bauen wolle, gebe es keine Alternative zum Aufbau von Vertrauen.

In seiner „Willy-Brandt-Vorlesung“ am Nachmittag in der Humboldt-Universität nimmt al Baradei denn auch den früheren Bundeskanzler als Kronzeugen für die Lösung heutiger Konflikte. Man müsse mit seinen Gegnern reden, wie Brandt es in der Ostpolitik getan habe. Dialog dürfe nicht als „Zeichen von Schwäche oder Belohnung für Wohlverhalten“ angesehen werden, sondern als Mittel, Differenzen zu überbrücken.

Für seine Behörde wünscht sich der scheidende Chef mehr Mittel. Eine Kommission habe ermittelt, dass die IAEA einmalig 80 Millionen Dollar und ab 2020 eine Verdoppelung ihres Budgets brauche, um ihre Arbeit weltweit zu machen. Die Agentur sei beim Zugang zu Satellitenbildern vom Wohlwollen einzelner Staaten abhängig und müsse technische Untersuchungen teilweise in fremden Labors machen lassen, weil die eigene Ausstattung dies nicht erlaube. Doch die IAEA brauche auch die Unterstützung der Medien. Nicht durch wohlwollende Berichterstattung, sondern durch die korrekte Wiedergabe von Fakten. Die Medien sollten weniger auf „Hype“ aus sein, denn es gehe immerhin „um Krieg und Frieden“, mahnt al Baradei.

Der aus einer angesehenen Juristenfamilie in Kairo stammende al Baradei will sich nicht auf das Altenteil zurückziehen, sondern sich weiterhin als Vermittler oder Gastredner einmischen. „Wie Sie sehen, liegen mir diese Fragen am Herzen.“ Völlig illusorisch, aber ein hübsches Gedankenspiel ist die Vorstellung, dass ein Mann von der aufrechten Statur und dem Kaliber eines Mohammed al Baradei in seinem Heimatland Ägypten eine Funktion übernähme – dort müßte dringend der kranke und autokratische Präsident Hosni Mubarak abgelöst werden.

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