zum Hauptinhalt
Der Protest gegen Atomkraftnutzung ist nach wie vor groß.

© dpa

Verlängerte Laufzeiten: Atomkonzerne können Steuer umgehen

Die Brennelementesteuer kann von den Atomkraftwerksbetreibern als Betriebsausgabe abgesetzt werden. Dass die Konzerne die Steuer umgehen könnten, ist der Regierung bewusst. Unternommen hat sie bislang nichts.

Berlin - Die Bundesregierung hat keine Vorkehrungen dagegen getroffen, dass die Atomkraftwerksbetreiber die seit dem 1. Januar 2011 geltende Brennelementesteuer umgehen. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der grünen Haushaltsexpertin Lisa Paus hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt. Die Steuer wird auf neu eingesetzte Brennelemente fällig. Auf die Frage, seit wann der Regierung bekannt war, dass RWE im Atomkraftwerk Biblis B einen Austausch von Brennelementen noch vor Inkrafttreten der Steuerpflicht, also noch 2010, plante, antwortet der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Steffen Kampeter, es habe „kein Anlass“ für einen Informationsaustausch bestanden.

Auf die Frage, wie diese Steuerumgehung in der Endphase der bis 2017 begrenzten Steuerpflicht verhindert werden solle, antwortet er: „Es kann nie ausgeschlossen werden, dass steuerliche Fristen für legale Ausweichreaktionen genutzt werden.“ Paus rechnet damit, dass die Atomkraftwerksbetreiber 2016 bei ihren Revisionen auf den Austausch von Brennelementen verzichten, um so wiederum der Steuer zu entgehen.

Seit dem Bundestagsbeschluss vom 28. Oktober 2010 wäre es aus Paus Sicht möglich gewesen, die Steuer rückwirkend einzuführen, um die Umgehung der Steuer zu vermeiden. „Diese Fehleinschätzung kostet den Bund 280 Millionen Euro“, sagte sie dem Tagesspiegel. Besonders kurios ist, dass das Atomkraftwerk Biblis B am vergangenen Freitagabend für eine umfassende Revision vom Netz genommen worden ist. Bis zum 22. Mai soll das Atomkraftwerk nach Angaben der hessischen Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) auch „erdbebensicher“ gemacht werden. Erst die Revision ist normalerweise der Zeitpunkt für einen Brennelementewechsel. Umso seltsamer mutet die Antwort der Regierung an, „Revisionen“ könnten „nicht beliebig verschoben“ werden, „weil die Termine teilweise auf Jahre hinaus geplant werden“.

Die Brennelementesteuer kann von den Atomkraftwerksbetreibern als Betriebsausgabe abgesetzt werden. Deshalb erwarten Länder und Kommunen Ausfälle bei der Körperschaft- und der Gewerbesteuer. Nach Länderschätzungen dürften die Ausfälle bei rund 500 Millionen Euro liegen. Die Regierung teilt diese Einschätzung nicht. Kampeter schreibt, dass die Laufzeitverlängerung „zu Zusatzgewinnen führt und damit zu zusätzlichem Aufkommen bei den Ertragsteuern“. Weiter heißt es: „Die Bundesregierung geht davon aus, dass das Steuermehraufkommen die Steuermindereinnahmen überkompensieren wird.“ Die Regierung hatte während der Verhandlungen mit den Betreibern über den sogenannten Förderfondsvertrag, mit dem diese sich die Laufzeitverlängerung erkauft hatten, stets betont, dass sie mit der Steuer und dem Vertrag „mindestens die Hälfte der Zusatzgewinne“ einbehalte. Der Streit um die Laufzeitverlängerung geht am Montag in die nächste Runde. Dann legen fünf Bundesländer unter SPD-Führung sowie die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen ihre Verfassungsklagen gegen die Atomgesetznovellen vor.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false