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Mülheim-Kärlich

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Atomkraftwerke: Keine längeren Laufzeiten für Biblis A und Brunsbüttel

Die Laufzeiten der Atomkraftwerke Biblis A und Brunsbüttel werden nicht verlängert. Die Kraftwerksbetreiber RWE Power und Vattenfall scheiterten vor dem Bundesverwaltungsgericht mit ihrer Forderung, sogenannte Reststrommengen des lange stillgelegten Kraftwerks Mülheim-Kärlich auf die beiden AKWs zu übertragen.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat längere Laufzeiten für die beiden Atomkraftwerke Brunsbüttel und Biblis A abgelehnt. In seinem am Donnerstag verkündeten Urteil bestätigte das Gericht die Entscheidung der Vorinstanzen und wies die Klagen der AKW-Betreiber ab. Die Betreiber wollten die längeren Laufzeiten dadurch erreichen, dass so genannte Reststrommengen des AKWs Mülheim-Kärlich auf die beiden anderen Kraftwerke übertragen würden. Die beiden mehr als 30 Jahre alten Meiler müssen nun wie im Atomkonsens vereinbart in absehbarer Zeit vom Netz. Das Bundesumweltministerium geht derzeit davon aus, dass Biblis A 2010 abgeschaltet wird und Brunsbüttel 2012.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) begrüßte die Entscheidung. "Das Urteil schafft Rechtssicherheit für den weiteren Vollzug des Ausstiegsgesetzes", sagte Gabriel in einer Mitteilung. Der Minister appellierte an die Betreiber, seinen Vorschlag aufzugreifen und die ältesten Atomkraftwerke abzuschalten. RWE Power reagierte enttäuscht: "Wie bedauern natürlich, dass das Gericht unserer Rechtsauffassung nicht gefolgt ist", erklärte der Leiter von Biblis A, Hartmut Lauer. Er hofft dennoch, dass über die Zukunft des ältesten deutschen Atomkraftwerkes noch nicht das letzte Wort gesprochen sei.

RWE Power hat auch noch beantragt, 30 Terawattstunden aus seinem Kernkraftwerk Emsland auf Biblis A zu übertragen. Das Bundesumweltministerium hat das abgelehnt. Auch dieses Verfahren liegt inzwischen bei Gericht.

Kraftwerksbetreiber führen wirtschaftliche Gründe an

Dem 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts sei das Verfahren nicht leicht gefallen, sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Sailer. Schuld sei das "missratene" Atomgesetz, das den Atomausstieg regelt. "Wenn man die gesetzgeberische Leistung in diesem Verfahren anschaut, muss man schon sagen, das ist beachtlich im negativen Sinn", erklärte Sailer während der Verhandlung. Dennoch kamen die obersten deutschen Verwaltungsrichter zu dem Schluss, dass Reststrommengen aus Mülheim-Kärlich nur auf sieben namentlich genannte Kernkraftwerke übertragen werden dürfen. Biblis A in Hessen und Brunsbüttel in Schleswig-Holstein gehören nicht dazu. Trotz des "sprachlich verunglückten" Gesetzestextes sei das letztlich klar, sagte Sailer.

Die Kraftwerksbetreiber hatten für ihre Forderung unter anderem wirtschaftliche Gründe geltend gemacht. Zwar entsprechen die beantragten 45 Terawattstunden - 30 für Biblis und 15 für Brunsbüttel - nur etwa vier Prozent der Strommenge, die alle 17 deutschen Kernkraftwerke zusammen noch produzieren dürfen. Aber: "Das sind keine Peanuts für uns", sagte RWE-Rechtsanwältin Bettina Keienburg. 30 Terawattstunden - also 30 Milliarden Kilowattstunden - reichen aus, um Berlin mehr als zwei Jahre lang mit Strom zu versorgen.

Umweltministerium macht Sicherheitsbedenken geltend

Das Bundesumweltministerium hatte seine ablehnende Haltung mit Sicherheitsbedenken begründet. Strommengenübertragung ist abgesehen von Ausnahmeregelungen wie der zu Mülheim-Kärlich nur von älteren auf neuere Kraftwerke gestattet, weil die dank des technischen Fortschritts eben sicherer sein sollen. Das Bundesverwaltungsgericht erlegte den Stromkonzernen auf, die Kosten der Verfahren zu tragen. Der Wert wurde jeweils auf 30 Millionen Euro festgelegt.

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sprach von einem "großen Sieg energiepolitischer Vernunft". Das Gericht habe "den Versuch, die Reststrommengen des bereits stillgelegten Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich ausgerechnet auf die Schrottmeiler Biblis A und Brunsbüttel zu übertragen, als bloße Tricksereien von profitgierigen Energiekonzernen entlarvt". Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßte das Urteil: "Es ist eine wichtige Feststellung, dass das Atomgesetz gilt und nicht nach den jeweiligen Interessen der Atomkonzerne neu interpretiert werden kann."

Das hessische Umweltministerium hält die Zukunft von Biblis A gleichwohl für offen. Ministeriumssprecher Christoph Zörb verwies auf die aktuellen politischen Diskussionen über längere Laufzeiten für Atomkraftwerke. Dazu habe Umweltministerin Silke Lautenschläger (CDU) einen Vorschlag unterbreitet: Hessen wolle, dass die Kraftwerke so lange in Betrieb bleiben könnten, wie es ihre technische Sicherheit ermögliche. Sollte es doch noch zu einer Laufzeitverlängerung kommen, müsste nach diesem Vorschlag ein beachtlicher Teil der Gewinne in die Erforschung erneuerbarer Energien fließen. (jam/dpa)

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