zum Hauptinhalt

Atomstreit: Das strahlt ab

Wie lange werden die deutschen Atomkraftwerke noch am Netz bleiben? Mit der Notabschaltung des Vattenfall-Kraftwerkes Krümmel in Norddeutschland vor einer Woche haben die Wahlkämpfer Munition für eine zentrale gesellschaftliche Entscheidung im nahenden Bundestagswahlkampf gefunden. Union und FDP kommt das allerdings ungelegen.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Wie lange werden die deutschen Atomkraftwerke noch am Netz bleiben? Mit der Notabschaltung des Vattenfall-Kraftwerkes Krümmel in Norddeutschland vor einer Woche haben die Wahlkämpfer Munition für eine zentrale gesellschaftliche Entscheidung im nahenden Bundestagswahlkampf gefunden. Während Sozialdemokraten und Grüne den Ausstiegskompromiss der ersten rot-grünen Bundesregierung mit der Energiewirtschaft nach der Wahl fortsetzen wollen, sprechen sich Union und Liberale dafür aus, die Laufzeiten zu verlängern, wenn die Wähler Schwarz-Gelb am 27. September ein Votum dafür erteilen.

Zum Sinnbild für den Streit ist längst Krümmel geworden. Nach dem aufsehenerregenden Störfall im Jahr 2007 war das Werk vor wenigen Tagen wieder ans Netz gegangen – und beinahe direkt darauf erneut wegen einer technischen Panne abgeschaltet worden. Nun fordern nach dem SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel sämtliche Führungskräfte der Sozialdemokratie, Krümmel endgültig vom Netz zu nehmen und seine „Restlaufzeit“ auf andere Kraftwerke zu übertragen. Zuletzt SPD-Chef Franz Müntefering: „Was in Krümmel passiert ist, stinkt zum Himmel. Da kann ich nur sagen: Legt das Ding endlich still!“, sagte er im „Spiegel“. Der Energiekonzern Vattenfall scheine nicht in der Lage zu sein, das Akw gewissenhaft zu betreiben.

In ihrem Wahlprogramm hat sich die SPD eindeutig zum Atomausstieg bekannt. Müntefering gab an diesem Wochenende noch einmal den Zeitplan vor. Abschalten der problematischen alten Meiler bis Ende der nächsten Legislaturperiode – und „Krümmel sofort“, sagte er.

Für die Union hat der Atomkurs, mit dem die beiden Parteien CDU und CSU im September gewählt werden wollen, in den zurückliegenden Tagen ein wenig an Glaubwürdigkeit verloren. Ihr im Wahlprogramm genanntes Argument, das Land könne ohne die Atommeiler in den nächsten Jahren keine sichere und bezahlbare Grundlastversorgung mit Strom zur Verfügung stellen und benötige daher bis zum breiten Ausbau erneuerbarer Energien die Kraftwerke, gerät durch den neuen Störfall Krümmel in Konkurrenz mit dem Sicherheitsargument. Krümmel wird zum schlagenden Beweis, dass offenbar an dem Unionsargument, Deutschland besitze die sichersten Atomkraftwerke der Welt, irgend etwas nicht stimmen kann. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat daher zum Ende dieser Woche die Sicherheitsfrage aufgegriffen und ihre Zustimmung zum Weiterbetrieb des Atommeilers davon abhängig gemacht, dass es auch sicher sei. Für den baden- württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) ist das überhaupt keine Diskussion. Der „Bild am Sonntag“, sagte er, „ob und wie lange ein Kernkraftwerk betrieben werden kann, sollten Ingenieure, Techniker und die Atomaufsicht entscheiden“ – und nicht Wahlkämpfer. Seiner Auffassung nach laufen deutsche Meiler noch mindestens ein bis zwei Jahrzehnte.

Auch für die Spitzenkandidatin der Grünen im Wahlkampf, Renate Künast, gewinnt die Sicherheitsfrage an Bedeutung. Im „Tagesspiegel am Sonntag“ forderte Künast, bei der Sicherheitsprüfung der Kernkraftwerke müssten „die Zügel deutlich angezogen“ und den Energiekonzernen klargemacht werden, dass „Sicherheit vor Profit“ gehen muss. Beim Kraftwerk Krümmel habe nicht nur Vattenfall versagt, „sondern auch die Aufsicht“. Es sei „völlig unverantwortlich“, eine technische Messeinrichtung vorzuschreiben und dann den Wiederbetrieb des Akw zu genehmigen, ohne die Installation zu kontrollieren.

„Bei jeder Tüv-Prüfung von Autos gilt: Tüv-Plakette erst, wenn der Prüfer selbst gesehen hat, alle Mängel sind behoben.“ Die Atomaufsicht müsse verschärft beim Bund durchgesetzt werden.

Union und FDP warf die Grünen-Politikerin vor, den Deutschen Angst vor Stromausfällen zu machen. „Die acht unsichersten Akws inklusive des Pannenreaktors Krümmel können sofort stillgelegt werden, ohne dass in Deutschland der Strom knapp wird“, sagte sie. „Schwarz- Gelb muss endlich aufhören, Lügen über die Versorgungssicherheit in Deutschland zu verbreiten“. Die tatsächliche Leistung dieser acht Akws von rund 6500 Megawatt könne über die in Deutschland vorhandene Reserve von über 10 000 Megawatt problemlos aufgefangen werden. Hinzu komme, dass Deutschland jede Menge Strom exportiert – im Jahr etwa die Menge, die zwei große Akws unter Volllast erzeugen.

Für die FDP ist die Kernenergie mittlerweile eine „Übergangstechnologie“. Konkret heißt das: Meiler, die technisch sicher sind, sollen länger als geplant am Netz bleiben können. Und die Linken? Sie würden alle Atomkraftwerke am liebsten sofort abschalten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false