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Atomstreit: "Kein Grund zum Alarm"

Experten und Politiker bezweifeln Angaben der Regierung in Teheran, Iran könne jetzt atomaren Brennstoff selbst herstellen.

Berlin - Der Chef des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit, Otfried Nassauer, sieht in der Ankündigung Irans "mit allergrößter Wahrscheinlichkeit eine massive politisch motivierte Übertreibung". Der geschäftsführende Vorstand der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung, Harald Müller, sagte, er sehe "keinen Grund zum Alarm". Der SPD-Außenexperte Gert Weisskirchen bezweifelt, dass das Land in absehbarer Zeit atomare Langstreckenraketen produzieren könne. Unions-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff (CDU) fordert neue Verhandlungen mit Iran für eine internationale Aufsicht über dessen Atomprogramm.

Rüstungsexperte Müller hält die Angaben des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad für das "Pfeifen im Walde", nachdem Russland ihm bedeutet habe, "dass er keinen atomaren Brennstoff bekommen wird, wenn er im Streit um die Urananreicherung nicht beidreht". Nach dem, was bislang über die Kapazitäten Irans bekannt sei, habe er allenfalls Einzelteile einer Brennstofffabrik, sagte Müller.

Der CDU-Politiker Schockenhoff sprach sich für eine neue internationale Abrüstungsinitiative aus. "Wir müssen versuchen, eine internationale Aufsicht über Irans Atomprogramm zu erreichen. Dazu muss man neu mit Iran verhandeln." Innerhalb der Nato sowie in der EU und mit Russland müsse über gemeinsame Bedrohungen und die Raketenabwehr gesprochen werden, sagte er. Zugleich befürwortete Schockenhoff die Errichtung eines Raketenabwehrsystems gegen etwaige iranische Atomwaffen. "Das liegt im wohlverstandenen deutschen Interesse", hob er hervor. Eine Raketenabwehr sei ein "sinnvolles Vorsorgeinstrument, das verhindert, dass wir politisch erpressbar werden".

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU), bezweifelt Angaben Irans über die friedliche Ausrichtung des Atomprogramms. "Teheran bräuchte derzeit überhaupt keine Urananreicherung, denn im Moment hat es noch nicht einmal ein funktionierendes Kernkraftwerk", sagte er. Es liege im objektiven Interesse Irans, für Transparenz zu sorgen. "Denn Teheran wird ja nicht müde zu versichern, alles diene nur friedlichen Zwecken", betonte Polenz.

SPD: Warnung vor Überreaktionen

Politiker der SPD warnten unterdessen vor Überreaktionen. SPD-Fraktionsvize Walter Kolbow betonte, Iran habe zwar einen Schritt in die falsche Richtung getan. "Jetzt die Schlussfolgerung zu ziehen, das umstrittene US-Raketenabwehrsystem müsse installiert werden, halte ich für falsch."

Der SPD-Außenpolitiker Gert Weisskirchen wies Äußerungen aus der Union entschieden zurück, Raketen des von den USA geplanten Abwehrschilds auch in Deutschland zu stationieren. "Das ist totaler Quatsch", sagte er. Man müsse die "Logik des Raketenschilds bezweifeln".

Der russische Außenminister Sergej Lawrow sieht ebenfalls keine Bedrohung Europas und der USA durch feindliche Raketen. "Keiner der so genannten Schurkenstaaten besitzt Raketen, die Europa ernsthaft gefährden können", betonte Lawrow. Der Bau von Raketen, die die USA treffen könnten, sei technologisch sogar noch schwieriger. Weder heute noch in absehbarer Zukunft bestehe eine derartige Bedrohung für Europa oder die USA. Entsprechende Berichte nannte Lawrow "Hirngespinste", die die Friedensbemühungen Russlands, der EU und der USA im Nahen und Mittleren Osten zu erschweren drohten. (tso/dpa)

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