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Atomwaffen: Der nukleare Supermarkt des Abdul Qadir Khan

Know-how für Nordkoreas Bombe: Der pakistanische Wissenschaftler Khan verkaufte Pjöngjang Pläne und Technik für die atomare Rüstung. Eine Strafe erhielt er dafür nicht.

Nordkoreas Diktator wird diesen Tag genossen haben, wie keinen anderen an der Spitze des kommunistischen Staates: Am 9. Oktober 2006 testete sein Land eine Atombombe, unterirdisch, still und heimlich. Das durch die Explosion ausgelöste Beben war relativ schwach, ebenso die freigesetzte Strahlung. Westliche Experten sprachen deswegen von einem „nuklearen Rohrkrepierer“. Nordkoreanische Medien berichteten hingegen über einen erfolgreichen Test. Eine Nachrichtensprecherin nannte die Bombe das „Glück der Nation“. Was die Forscher zur Explosion gebracht hatten bleibt unklar, fest steht, es war atomar.

Woher das Regime in Pjöngjang die Technik und das Know-how zum Bau der Bombe bekommen hatten, war westlichen Geheimdiensten hingegen sofort klar. Ein pakistanischer Wissenschaftler, in den Niederlanden und Deutschland ausgebildet, hatte sein Wissen zu Geld gemacht. Der Iran, Libyen und Nordkorea standen auf der Kundenliste seines atomaren Schmugglerrings.

Doktor Abdul Qadir Khan hatte Jahre lang den Atomwaffensperrvertrag und alle Sanktionen gegen Nordkorea unterlaufen, ohne dass ihm die westlichen Geheimdienste, die amerikanische CIA oder der britische MI5, auf die Schliche kamen. Pakistanische Behörden wussten von den geheimen Geschäften, doch in Pakistan ist der „Vater der islamischen Atombombe“ unantastbar.

Khan war es, der im Auftrag des pakistanischen Premierminister Zulifikar Ali Bhutto das Land atomar aufrüstete, um mit dem Erzfeind Indien gleichzuziehen. Die Machthaber wechselten in Pakistan, 1977 putschte sich Mohammed Zia-ul-Haq an die Macht und ließ Bhutto hängen, später gab das Militär die Macht wieder ab und putschte dann erneut. Khan jedoch blieb in seinem Labor und arbeitete weiter an der Bombe.

Fast 20 Jahre nachdem Khan mit seiner Forschung begonnen hatte, war es mit der Heimlichkeit vorbei. Am 28. Mai 1998 zündete Pakistan seine erste Atombombe. Das Land jubelte: Pakistan war als einziges islamisches Land in den Kreis der Atommächte aufgestiegen.

2003 flog Khans Schmuggelnetzwerk auf. Amerikanische Soldaten brachten den deutschen Frachter „BBC China“ auf. An Bord fanden sie Atomanlagen für Libyen. Der libysche Staatschef Gaddafi beugte sich dem internationalen Druck und packte über seinen Geschäftspartner Khan aus.

Die USA übten nun auch Druck auf Pakistan aus. Dort herrschte Pervez Musharraf, ein General, der sich an die Macht geputscht hatte. Er ließ Khan verhaften. Tausende demonstrierten daraufhin in Islamabad gegen Musharraf und die USA. Die Menge forderte, Khan, ihren Nationalhelden, freizulassen.

Und tatsächlich: Nach einem Verhör kam Khan wieder frei, ins Gefängnis muss der Ingenieur nicht, er wurde lediglich unter Hausarrest gestellt, darf keine Gäste empfangen, keine Telefonate führen.

Musharraf verlangte von dem Ingenieur lediglich ein öffentliches Geständnis: Khan musste im Februar 2004 vor die Kameras des pakistanischen Fernsehens treten. Er räumte ein, Teile und Pläne für die Atomrüstung nach Libyen, Nordkorea und in den Iran geliefert zu haben. In einem Interview mit der amerikanischen Tageszeitung New York Times sagte Musharraf später: „Weil er sich zu einer übermenschlichen Figur gemacht hatte, musste ich ihm die Absolution erteilen, als Zugeständnis an die Öffentlichkeit.“

Andere finden deutlichere Worte: Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, Mohammed el Barradei, nennt Khans Netzwerk einen „atomaren Supermarkt“, in dem jeder einkaufen könne, der genügend Geld habe.

Die „Khan Research Laboratories“ sollen auch Kontakte zu anderen Staaten wie Saudi-Arabien und Ägypten geknüpft haben, denen Experten ebenfalls Interesse an der nuklearen Aufrüstung nachsagen. Sicher ist: Ohne Khans Netzwerk hätten der Iran und Nordkorea nicht so schnell Uran anreichern und waffenfähiges Plutonium produzieren können.

Nordkorea hofierte Kahn, 15 Mal soll der pakistanische Wissenschaftler mit Regierungsflugzeugen von Islamabad nach Pjöngjang geflogen worden sein. Dass Pakistans Regierung davon nichts gewusst haben soll, ist mehr als unwahrscheinlich. Denn Nordkorea lieferte mehrere Mittelstreckenraketen nach Pakistan, die dort nachgebaut und weiterentwickelt wurden. Die nordkoreanische Rakete „No Dong“ kann 1500 Kilometer weit fliegen und Atomsprengköpfe tragen.

Pakistan präsentierte die Mittelstreckenrakete unter dem Namen „Ghauri“ als Entwicklung des „Khan Research Laboratories“. Westliche Sicherheitsexperten gehen davon aus, dass Khan im Auftrag des pakistanischen Geheimdiensts gehandelt hat und Raketen- gegen Nukleartechnik getauscht habe. Lange widersetzte sich die pakistanische Regierung einer Befragung Khans durch internationale Experten.

Heute lebt Khan in Freiheit – Pervez Musharraf hat ihn wegen der "großen Verdienste" für das Land begnadigt. Khan soll Millionen mit dem Verkauf der Atomanlagen verdient haben. Seinen Kompagnons in Malaysia, der Schweiz, Deutschland und Südafrika ist es schlechter ergangen. Die meisten seiner Geschäftspartner, die ihm Teile für Zentrifugen und Brüter verkauften, sitzen heute im Gefängnis.  

ZEIT ONLINE

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