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Politik: Auch Polens Innenminister tritt zurück

Weiterer Abgang im Kabinett von Kaczynski

Warschau - Als guter Fachmann galt er und als wichtige Säule der polnischen „vierten Republik”, der „gesäuberten” Gesellschaft, die unter der Regie der Brüder Kaczynski entstehen soll. Dennoch trat Innenminister Ludwik Dorn (52) am Mittwoch zurück. Zur Begründung verwies er in umständlichen Worten auf Meinungsverschiedenheiten in Fachfragen zwischen ihm und Premier Jaroslaw Kaczynski. Es ist der zweite Abgang eines wichtigen Ministers innerhalb kurzer Zeit – am Montag war Verteidigungsminister Radoslaw Sikorski zurückgetreten.

Dorn bekräftigte nach seinem Rücktritt allerdings seine Unterstützung für die Regierung und pries Kaczynski als „besten Premier seit der Wende“. Kaczynski habe seinen Rücktritt als Innenminister angenommen, den als stellvertretender Ministerpräsident aber abgelehnt, sagte er. Dorns Abgang überraschte Politiker wie Medien in Warschau. Am Abend teilte ein Regierungssprecher mit, dass der jetzige Generalstaatsanwalt Janusz Kaczmarek Nachfolger Dorns wird. Er gilt als Vertrauter der Kaczynskis.

Verteidigungsminister Sikorski war zurückgetreten, weil er sich im Streit mit dem Chef des Militärgeheimdienstes, Antoni Macierewicz, befand, einem Günstling von Premier Kaczynski. Neuer Verteidigungsminister wird der bisherige Chef des Präsidialamts Aleksander Szczyglo, der als „Soldat” von Präsident Lech Kaczynski gilt.

Zudem reichte am Mittwoch Andrzej Krawczyk, Sekretär des Präsidialamts, nach Vorwürfen um Geheimdienstkontakte seinen Rücktritt ein. Die Kaczynskis bemühten sich um Schadensbegrenzung. Das komme auch in anderen Regierungen vor, erklärte Präsident Lech Kaczynski. Auch der Premier sah in den Rücktritten „nichts Besonderes“.

Für die Opposition sind die Rücktritte jedoch weitere Indizien dafür, dass dem misstrauischen Premier Gehorsam vor Kompetenz geht. Zwar ist Dorn schon lange mit den Kaczynskis verbunden, doch gilt der studierte Soziologe auch als selbstbewusster Fachmann, eines der wenigen Mitglieder der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), der es wagte, dem Präsidenten und dem Premier zu widersprechen. Wie Sikorski, der vor seiner Nominierung 2005 Mitglied des American-Enterprise-Instituts in Washington war, gehörte Dorn zu den wenigen polnischen Ministern, die auch im Ausland ein gutes Renommee haben.

Die Regierung, in der die PiS mit den beiden populistischen Parteien Selbstverteidigung und Liga Polnischer Familien koaliert, kommt wegen des ständigen Streits nicht zur Ruhe. Zwar kann sie auf den wirtschaftlichen Aufschwung verweisen, doch für das Chaos im Gesundheitswesen hat die Regierung kein Konzept. Auch in der Verteidigungspolitik besteht Entscheidungsbedarf: Polen befindet sich in Verhandlung mit den USA über die Stationierung eines Anti-Raketenschilds. Gleichzeitig will das Nato-Mitglied demnächst 1000 Soldaten nach Afghanistan schicken.

Jens Mattern

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