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Politik: Audienz mit Folgen

Wie Saudi-Arabien Forderungen nach Demokratie erfüllen will

Von Andrea Nüsse, Amman

Während sich im Irak-Konflikt die Fronten verhärten, setzt ein Nachbar Saddams auf vorsichtige Öffnung zum Westen und zur Demokratie. Das saudische Königshaus hat dieser Tage zwei außergewöhnliche Schritte getan: Erstmals durfte eine Delegation der Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ (HRW) Saudi-Arabien besuchen. Zum anderen empfing Kronprinz Abdullah eine Gruppe saudischer Reformer, die Wahlen für den Konsultativrat Schura und größere politische Freiheiten fordern.

Das politische und gesellschaftliche System Saudi-Arabiens war nach dem 11. September in Verruf geraten. Die Tatsache, dass 15 der 19 Flugzeugentführer saudische Staatsbürger waren, führte gerade in der US-Presse und in Teilen der US-Regierung zu gnadenloser Kritik an der vorherrschenden Islam-Auslegung, dem Bildungssystem, dem Mangel an demokratischen Institutionen in einem Land, das seit Jahrzehnten zu den engsten Alliierten der Vereinigten Staaten in der Region gehört.

Das extrem geschlossene Königreich hat sich daraufhin westlichen Journalisten geöffnet, aber stets zurückgewiesen, dass es einen Zusammenhang zwischen islamistischen Extremisten und seinem Gesellschafts- und Religionssystem gebe.

„Die Versprechen und die Haltung der saudischen Regierung waren sehr vielversprechend“, erklärte Hanny Megalli, Executive Direktor für den Nahen Osten und Nordafrika nach Abschluss der Reise. Mehr als zehn Jahre lang seien Besuchsanfragen abgelehnt worden, sagte Megalli, diesmal seien Treffen mit allen saudischen Ministern und Verantwortlichen ermöglicht worden, um die HRW gebeten habe. Darunter waren der Außen,- Innen, und Justizminister, der Minister für Erziehung sowie Gefängnisdirektoren und der Leiter der Staatsanwaltschaft.

Noch in der vergangenen Woche hatte HRW in seinem Jahresbericht 2002 Saudi-Arabien schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, insbesondere im Justizbereich, bei der Behandlung von Frauen und ausländischen Arbeitern. Man hoffe, dass diese Sorgen der Vergangenheit angehören, da derzeit neue Gesetze, insbesondere Justizreformen, erarbeitet würden, sagte Megalli. Es komme jedoch auch darauf an, wie diese in der Praxis umgesetzt würden.

Der saudische Kronprinz Abdullah hat zudem gegenüber der Gruppe von Reformern und Intellektuellen überraschend Wahlen zum Schura-Rat in Aussicht gestellt. Die Mitglieder des Gremiums, das rein beratende Funktion hat, werden bislang nicht gewählt, sondern von König Fahd selbst ernannt. Der Schura-Rat existiert seit 1993. Vorher hatte es überhaupt keine institutionalisierte Beteiligung des Volkes an den Entscheidungsprozessen des Königshauses gegeben.

Der frühere Universitätsprofessor Abdullah al-Hamed berichtete, man habe dem Kronprinzen eine Liste mit Vorschlägen unterbreitet, die von insgesamt 100 Personen unterzeichnet war. Neben den Schura-Wahlen wurden eine unabhängige Judikative, Verfassungsreformen, größere Meinungsfreiheit sowie die Zulassung von Institutionen der Zivilgesellschaft vorgeschlagen. Das Dokument werde nicht in den Medien veröffentlicht, weil es für interne Debatten in Saudi-Arabien bestimmt sei, erklärte Al-Hamed.

Erst kürzlich war durchgesickert, dass Kronprinz Abdullah beim nächsten Arabischen Gipfel in Bahrein im März Reformvorschläge für die gesamte arabische Welt vorlegen wolle. Nach Angaben einer saudischen Zeitung ist darin von „größerer politischer Beteiligung“ der Bürger in arabischen Staaten die Rede.

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