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Politik: Auf den letzten Drücker

Föderalismuskommission rafft sich auf, bis zum Ende der Wahlperiode eine neue Schuldengrenze zu ziehen

Berlin – Den 5. Februar 2009 dürfte Peter Struck in seinem Terminkalender besonders dick angekreuzt haben. An diesem Donnerstag nämlich will der SPD- Fraktionschef, der im Herbst darauf nicht mehr für den Bundestag kandidiert, die wohl letzte Großtat seiner politischen Karriere auf den Weg bringen: die Einführung einer neuen, strikteren Schuldengrenze in den Haushalten von Bund und Ländern. Denn die Föderalismuskommission II, deren Kernaufgabe eine solche Schuldengrenze ist, soll an diesem 5. Februar zu ihrer entscheidenden Tagung zusammenkommen. Die Vorstellungen in der Runde gehen derzeit allerdings noch munter durcheinander. Und da es um Verfassungsänderungen geht, braucht es eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Das heißt, die große Koalition muss mindestens die FDP ins Boot holen, weil Schwarz-Rot in der Länderkammer keine verfassungsändernde Mehrheit mehr zusammen bringt. Mit Rücksicht auf weitere Koalitionen in den Ländern wird man wohl auch darauf hören, was Grüne und Linke beizutragen haben.

Struck, der mit dem Stuttgarter Ministerpräsidenten Günter Oettinger die Kommission leitet, hat sich für eine weniger strikte Schuldenregel ausgesprochen – die freilich immer noch dazu führen würde, dass der bislang mögliche Spielraum halbiert würde, wie Struck betont. In der Union will man härtere Regeln, die FDP pocht darauf, dass es ein Schuldenverbot geben soll – freilich eines, das auch Ausnahmen für Krisenfälle vorsieht.

Einigermaßen einig ist man sich, dass ausgeglichene Haushalte ein Verfassungsziel sein sollen, wobei eine gewisse konjunkturbedingte Verschuldung erlaubt bleiben soll. Diese soll aber innerhalb eines Konjunkturzyklus wieder getilgt werden. Und auch „Notkredite“ will man dulden, in Zeiten von Finanzkrisen oder Naturkatastrophen. Umstritten ist aber, wie flexibel diese Schuldenregel gehandhabt wird, ob Bund und Länder eher gleiche Regeln haben sollen oder jeweils eigene, oder auch wie man Notlagen definiert und welche Mehrheiten dann nötig sind. Union, Grüne und FDP favorisieren hohe Zustimmungsquoten, der SPD reicht die einfache Mehrheit, denn Notlagen seien „die Stunde der Exekutive“, wie der Mainzer Finanzminister Ingolf Deubel sagt.

Keinen Konsens gibt es in der Frage, ob neben der Verschuldung aus Konjunkturgründen (also vor allem zum Ausgleich von Steuerausfällen) eine weitergehende „strukturelle Verschuldung“ möglich sein soll – also zum Finanzieren von Ausgabeprogrammen. Union und FDP lehnen das grundsätzlich ab, Grüne und SPD möchten eine solche Option, wobei die Grünen engere Grenzen ziehen als die Sozialdemokraten. Die möchten einen dauerhaften Verschuldungsspielraum von 0,75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – derzeit etwa 18 Milliarden im Jahr für Bund und Länder.

Ein Gesamtkompromiss ist nicht ausgeschlossen. Er hängt freilich stark davon ab,wie weit der Bund und die finanzstarken Länder den schwächeren Ländern beim Abbau der Altschulden entgegenkommen. Die Finanzkrise könnte jedoch dazu führen, dass jeder wieder stärker auf seinen Etat schaut – siehe Bayern, das wegen der Landesbankkrise bald nicht mehr so gut dasteht wie zuvor. Struck dagegen und auch der FDP-Föderalismusexperte Ernst Burgbacher setzen darauf, dass die aktuellen Turbulenzen den Konsens befördern. Die Finanzmarktkrise müsse „Ansporn für eine echte und grundlegende Reform sein“, meint Burgbacher. Geht alles gut, könnte die Reform auf den letzten Drücker fertig werden – mit Schlussabstimmungen in Bundestag und Bundesrat Anfang Juli, also mitten im Wahlkampf. Was wiederum Zweifel weckt, ob es wirklich einen echten Erfolg geben wird.

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