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Politik: Auf der Hut vor Vorurteilen

Von Stephan-Andreas Casdorff

Sie wollen den Staat Israel vernichten, auslöschen, seine Bewohner ins Meer zurückwerfen. Und der Führer der Hisbollah, Hassan Nasrallah, erklärt Israel den offenen Krieg. Da sollen sich die Israelis nicht wehren dürfen?

Auch darum geht jetzt eine erhitzte Debatte, noch angeheizt von den Bildern aus dem Libanon, die tagtäglich zu sehen sind. Da wird das Leid der Menschen, der Zivilisten, der Frauen, Kinder und Männer, in Zeiten des Krieges der Weltöffentlichkeit vor Augen geführt. Diese Bilder entwickeln eine ganz eigene Macht, eine eigene Wucht und scheinen Israel ins Unrecht zu setzen.

Wer allerdings, so lautet die Gegenfrage, die zwangsläufig ist, wenn man gerecht sein will, wer aber zeigt die Bilder von den Terrorangriffen, die ebenfalls fast täglich in Israel stattfinden und Unschuldige treffen? Die zerfetzten Leiber auch dort, die durch Bomben in Bussen, Straßencafés, an Straßenkreuzungen, und das seit Jahren?

Mit der Vergleichbarkeit im Unrecht ist es schwierig: Man hüte sich vor schnellen, vor Vor-Urteilen. Also – wie nennt man das nun, was Israel tut: Selbstverteidigung? Oder Kampf ums Überleben? Und an den gerichtet, der das Völkerrecht anführt, um Israel des unrechtmäßigen Handelns zu überführen: Was ist das Recht dieses Volks? Dass es nicht nur eine Sicht gibt, das machen gerade auch der jordanische König Abdullah II. und Ägyptens Präsident Hosni Mubarak klar. Sie kritisieren zwar das harte Vorgehen Israels – aber überraschend auch mit der Führung in Saudi-Arabien das „Abenteurertum“ der Hisbollah. Und Hilfe zur Entwaffnung der Miliz fordert der libanesische Premier.

Richtig ist, dass internationale Normen und Institutionen leiden, auf globaler Ebene. In einem klugen, abgewogenen kurzen Bericht der Adenauer-Stiftung für die deutsche Politik wird es angeführt: Weil die israelische Armee zivile Einrichtungen in den Palästinensergebieten und im Libanon zerstört, wächst die Befremdung in Europa, in den USA, ja, auch in Teilen der israelischen Bevölkerung. Doch unabhängig von den Beurteilungskrisen im UN-Menschenrechtsrat und im UN-Sicherheitsrat – die blutige Krise hat begonnen, weil die Hisbollah die Entführung zweier israelischer Soldaten bewusst als provokativen Akt plante. Sie hat sich allerdings verkalkuliert, die Schiiten-Miliz hat nach allem, was man weiß, nicht mit einer derart massiven Reaktion Israels gerechnet. Und eine Solidaritätsbewegung mit der Hisbollah ist auch nirgends zu verzeichnen.

Nun will Israel die Miliz im Libanon zerschlagen. Wenn das der Plan gewesen sein sollte, er wird nicht gelingen. Zu sehr ist die Hisbollah verankert im Libanon, übrigens auch im sozialen Leben des Landes. Da es aber auf keinen Fall eine Rückkehr zum Status quo geben soll, will die israelische Führung um Premier Ehud Olmert zumindest die permanente Bedrohung durch die Hisbollah beseitigen – und das steht im Einklang mit dem, was die Staatengemeinschaft und die UN schon länger wollen.

Bereits im Oktober 2004 wurde die Resolution 1559 verabschiedet. Die sieht neben dem Abzug der Syrer auch die Entwaffnung der Milizen vor, denn beides zusammen sollte zur Wiederherstellung der Souveränität des Libanon führen.

In diese Richtung geht auch, was die G-8-Staaten jetzt gerade gefordert haben. Danach soll es „extremistischen Elementen und denjenigen, die sie unterstützen, nicht erlaubt werden, den Nahen Osten in ein Chaos zu stürzen“. Ein Chaos zu verhindern, dazu sind jetzt die aufgerufen, die erkannt haben, welchen Weltenbrand der Konflikt in Nahost auslösen kann. Das sind – fast alle.

Europäer, nicht zuletzt die Deutschen, und die USA müssen eine Vermittlung versuchen. Jetzt. Sie müssen. Mit allen reden, besänftigen, mit Hilfe locken. Denn alles hängt mit allem zusammen, die Unruhe im Irak und in Palästina und im Libanon, die Schiiten in allen Ländern außerdem, und dann der Iran, der hinter der Hisbollah steht … Bomben hüben und drüben bereiten den Weg ins Chaos. Vielleicht stimmen ja alle wenigstens darin überein: Frieden ist Völkerrecht.

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