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Politik: Auf eigenen Wegen

Berlins Rolle in der Nato ist in Gefahr: Vor dem Treffen in Warschau ignorieren US-Diplomaten deutsche Kollegen

Von Mariele Schulze Berndt, Brüssel

Amerikanische Nato-Diplomaten haben in den vergangenen Tagen das praktiziert, was dem deutschen Verteidigungsminister Peter Struck an diesem Dienstag in Warschau blühen wird. Sie straften ihre deutschen Kollegen mit Nichtachtung: Statt der gewohnt freundlichen Begrüßung für die deutschen Nato-Mitarbeiter gab es schroff abgewandte Köpfe.

US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat für das informelle Treffen der Verteidigungsminister in Warschau angekündigt, er wolle kein bilaterales Gespräch mit Struck führen. Es wird damit gerechnet, dass er sich in der großen Runde der Verteidigungsminister über die deutsche Haltung im Irak-Konflikt beschweren wird. Kurz vor seinem Abflug nach Polen warf Rumsfeld Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) vor, das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA „vergiftet“ zu haben. Ähnliches hatte vor einigen Tagen auch die Sicherheitsberaterin des US-Präsidenten, Condoleezza Rice, gesagt.

In Brüssel sind manche Diplomaten deshalb ernsthaft darüber besorgt, wie sich die Verstimmung im deutsch-amerikanischen Verhältnis auf den deutschen Einfluss in der Nato und der EU-Außenpolitik auswirken wird. Durch die Führung des Nato-Einsatzes in Mazedonien durch die Bundeswehr und durch die Teilnahme von deutschen Spezialstreitkräften am Afghanistan-Einsatz hatte sich der deutsche Einfluss in den Nato-Gremien spürbar verbessert. Das Land schien seine Sonderrolle abgelegt und eine angemessene Position als großes Allianzmitglied gefunden zu haben – und zwar trotz der schlechten Finanzlage der Bundeswehr.

Doch die Art, wie der Bundeskanzler sich gegen einen Irak-Krieg gestellt hat, hat diese Normalisierung nach Ansicht von Brüsseler Experten deutlich zurückgeworfen. Dadurch sinkt auch der deutsche Einfluss innerhalb der Nato-Debatte über die neue nationale Sicherheitsdoktrin der USA. Diese sieht unter anderem Präventivschläge gegen Terroristen und Länder vor, die diesen Unterschlupf gewähren. Eine Nato-Krisenreaktionseinheit von 20 000 Mann Spezialstreitkräften ist ein erstes Element dieser in den USA geplanten Veränderungen, die Rumsfeld in Warschau vorstellen wird. In der am Freitag von Präsident Bush veröffentlichten Sicherheitsdoktrin heißt es, die Allianz müsse gestärkt werden, um Terroranschlägen vorzubeugen. Die USA zögerten jedoch nicht, allein zu handeln, um das Recht auf Selbstverteidigung im Kampf gegen Terroristen und Staaten auszuüben, die Massenvernichtungswaffen herstellen wollen.

„Der Bundeskanzler muss jetzt außenpolitisch auf Tauchstation gehen und dann vorsichtig versuchen, die deutsch-amerikanischen Beziehungen wieder zu kitten“, rät ein EU-Außenpolitiker. Auf EU-Ebene ist man zwar einerseits unglücklich darüber, dass die transatlantischen Beziehungen durch den deutsch-amerikanischen Irak-Konflikt Spannungen ausgesetzt sind. Doch andererseits hat beispielsweise der EU-Außenbeauftragte Javier Solana viel Verständnis für den „geschichtlich begründeten deutschen Sonderweg“, heißt es aus dessen Umgebung.

Rumsfeld schloss indes eine Rolle der Nato im Irak-Konflikt weitgehend aus. Er werde seine Kollegen über die Bedrohung durch den Irak informieren, jedoch keine Beweise für Verbindungen Bagdads zu Terroristen vorlegen. In Washington erklärten Senatoren der Demokraten, Bush werde für ein Vorgehen gegen den Irak keine umfassende Erlaubnis zum Einsatz militärischer Gewalt vom Kongress erhalten. Dies sei zu weit gefasst, hieß es. Senatoren sprachen sich dafür aus, nicht die ganze Region in den Entwurf aufzunehmen, sondern nur den Irak.

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