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Politik: Auf ewig Guantanamo?

Viele der auf dem Militärstützpunkt Inhaftierten müssen auf unbegrenzte Zeit dort bleiben, heißt es im Pentagon. Dabei haben die Militärtribunale noch gar nicht getagt

Manchmal durchkreuzt ein Zeitungsartikel alle offiziellen Pläne. Ursprünglich wollte die US-Regierung am Freitag in die Offensive gehen. Am Nachmittag stellte sich der US-Sonderbeauftragte Pierre-Richard Prosper den Fragen der ausländischen Presse. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hielt in Miami eine Rede. Beide hatten dasselbe heikle Thema: die Lage der etwa 650 Inhaftierten auf der US-Militärbasis Guantanamo. Bald werde ein Gremium eingerichtet, hieß es stolz, vor dem sich die Inhaftierten verantworten könnten. Eine Art Berufungskommission sei das, die aus drei Mitgliedern bestehe. Außerdem würden in den kommenden Monaten weitere Gefangene in ihre Heimatländer abgeschoben. Die Botschaft sollte sein: Erstens ist es auf Guantanamo nicht so schlimm, wie alle Welt glaubt, und zweitens wird es langsam besser. Rumsfeld kündigte zudem eine Art Begnadigungsausschuss für Guantanamo an. Das Gremium solle einmal jährlich Einzelfälle prüfen und dann entscheiden, ob der jeweilige Häftling weiter festgehalten, freigelassen oder zur weiteren Strafverfolgung seinem Heimatland überstellt werden soll.

Doch zuvor hatte die „New York Times“ berichtet, womöglich befänden sich die Gefangenen in einer noch prekäreren Situation, als bislang schon befürchtet worden war. Ein anonymer leitender Beamter im Verteidigungsministerium wird mit der Aussage zitiert, selbst ein Inhaftierter, der von einem Militärtribunal zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt würde, käme anschließend nicht automatisch frei. Das Pentagon behalte sich vor, ihn weiter auf Guantanamo zu lassen, sollte dies notwendig erscheinen. Ohnehin werde ein großer Teil der Inhaftierten für „viele Jahre, vielleicht auf unbegrenzte Zeit“ auf Guantanamo bleiben, plane das Pentagon. „Wir haben das starke Gefühl, uns in einem andauernden Krieg zu befinden“, sagte der Verteidigungsexperte zur Rechtfertigung. Die normalen Gesetze träfen auf diese besondere Situation nicht zu.

Zum Teil seit zwei Jahren haben die Gefangenen keinen Kontakt zur Außenwelt, weder wurde Anklage gegen sie erhoben, noch dürfen sie einen Anwalt sehen. Ein Skandal, der selbst bedächtige Menschen wie Lord Steyn, einen der obersten Richter Großbritanniens, erschüttern lässt. „Als ein Anwalt, der in Bewunderung für die amerikanischen Ideale von Demokratie und Gerechtigkeit aufwuchs“, sagte er im vergangenen Herbst, „muss ich gestehen, dass ich dies als monströses Versagen der Justiz empfinde.“

Das Pentagon will einige der Inhaftierten vor Sondertribunale stellen. Die Regeln dieser Tribunale stehen allerdings noch nicht fest. Der Supreme Court in Washington wird im Sommer über die Frage befinden, ob der US-Militärstützpunkt Guantanamo sich außerhalb der Reichweite der amerikanischen Verfassung befindet.

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