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Politik: Auf Lausch-Tour

George W. Bush hört in der Irakfrage viele Experten – ein Ablenkungsmanöver, sagen die Medien

Das Weiße Haus nennt es „Listening Tour“: Die ganze Woche will Präsident George W. Bush darauf verwenden, sich die unterschiedlichsten Meinungen anzuhören, wie es im Irak weitergehen soll. Das erwünschte Signal an die Nation: Der Präsident hat dazu keine im voraus festgelegte Meinung, er sucht Rat und nimmt ihn an. Am Montag hatte er sich mit Experten des Außenministeriums und anschließend mit hohen Militärs getroffen. Am Dienstag folgten Gespräche mit Iraks sunnitischem Vizepräsidenten Tarik al Haschemi, mit amerikanischen Kommandeuren im Irak per Videokonferenz, mit dem scheidenden Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und dem amerikanischen Botschafter in Bagdad, Zalmay Khalilzad.

Viele Medien im Land zeichnen ein anderes Bild. Wenige Tage, nachdem die offizielle Irak-Arbeitsgruppe ihre Ergebnisse vorgelegt hatte, suche Bush nach Auswegen, um den Teil ihrer Empfehlungen, der ihm widerstrebe, nicht befolgen zu müssen. Er hole die gegenläufigen Expertisen nur ein, um sich aus dem Angebot am Ende die Ratschläge herauszupicken, die ihm ins Konzept passen, und diese zusammengewürfelte Strategie als Resultat umfassender Konsultationen präsentieren zu können. Das soll in einer Rede in der letzten Woche vor Weihnachten geschehen. Titel: „A new way forward“ – ein neuer Weg nach vorn.

Die überparteiliche Arbeitsgruppe unter der Führung des Republikaners James Baker hatte in der vergangenen Woche einen Katalog von 79 Empfehlungen vorgelegt. Insbesondere vier Punkte stoßen auf Missfallen im Weißen Haus. Bush solle, erstens, zu Jahresbeginn 2008, mit dem Abzug der US-Truppen beginnen und deren Stärke schrittweise von derzeit rund 140 000 auf schließlich 15 000 reduzieren. In der Zwischenzeit solle Bush das Schwergewicht des Militäreinsatzes von der Bekämpfung des Widerstands auf die Ausbildung irakischer Truppen verlegen. Dieser Aufgabe widmen sich derzeit nur 4000 GIs. Drittens, mehr Druck auf Iraks Regierung ausüben, die internen Konflikte zwischen Schiiten, Sunniten und Kurden politisch zu lösen. Und viertens, diplomatische Kontakte zu Syrien und dem Iran aufnehmen, damit diese die Unterstützung radikaler Milizen im Irak beenden und zur Stabilisierung beitragen.

„Washington Post“ und „New York Times“ analysieren, die Auswahl der Experten weise darauf hin, dass das Weiße Haus diese Empfehlungen neutralisieren wolle. Die Militärs sprachen sich gegen eine Reduzierung der US-Truppen aus und vor allem gegen einen festen Zeitplan. Der nütze nur dem Widerstand, weil der sich darauf einstellen könne. Außenministerin Condoleezza Rice drängte Bush zwar dazu, die diplomatische Isolierung Syriens und des Irans zu beenden – allerdings nur unter der Bedingung, dass der Iran die Urananreicherung in seinem Programm aufgibt und Syrien sich nicht weiter im Libanon einmischt. Bedingungslose Gespräche mit Teheran und Damaskus über den Irak lehnt Rice ab.

Teilnehmer der Gespräche vom Montag sagten den Zeitungen, Bush mache sich „keine Illusionen, wie schlecht die Lage im Irak ist“. Aber ein Großteil der Experten sei mit ihm der Meinung, mit der richtigen Strategie sei „der Krieg noch zu gewinnen“. Mehrere Fachleute hätten dem Präsidenten nahegelegt, sein Sicherheitsteam umzubilden. Die „Washington Post“ rechnet mit der Ablösung des Generalstabschefs Peter Pace.

Der scheidende UN-Generalsekretär Kofi Annan kritisierte in seiner Abschiedsrede in der Truman-Bibliothek in Independence, Missouri, Bushs Politik gegenüber den Vereinten Nationen und dem Irak. Der Welt gehe es am besten, wenn die USA mit ihren Freunden in einem multilateralen System zusammenarbeiten, sagte Annan.

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