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Politik: Auf verlorenem Posten

Der neue Papst wird nicht aus den USA kommen

Die letzte verbliebene Supermacht gegen die höchste moralische Autorität der Welt: Immer wieder haben Spannungen das Verhältnis zwischen den USA und dem gestorbenen Papst Johannes Paul II. geprägt. Ob es um den Beginn des Irakkrieges vor zwei Jahren ging, den Folterskandal im US-Militärgefängnis von Abu Ghraib, die Todesstrafe oder Stammzellforschung – ständig musste Bush Kritik aus dem Vatikan einstecken. „Papst Johannes Paul II. war ein zuverlässig harter Kritiker der amerikanischen Kultur“, resümierte das Nachrichtenmagazin „Newsweek“. „Er missbilligte unser Konsumdenken. Und er war gegen unsere Kriege.“

In allen internationalen Organisationen macht die Bush-Regierung bei der Vergabe von Ämtern ihren Einfluss geltend, aber bei der Wahl des neuen Papstes steht sie von vornherein auf verlorenem Posten – obwohl die USA mit 11 nach Italien mit 20 die meisten der 117 wahlberechtigten Kardinäle stellen. Ich würde kein Geld darauf verwetten“, sagt der Washingtoner Kardinal Theodore McCarrick der „Washington Post“ zu den Erfolgsaussichten eines US-Geistlichen – auch weil der Pädophilie-Skandal das internationale Ansehen der US-Kirche auf Jahre schwer beschädigt hat.

Wann immer also in den USA in diesen Tagen über die Papst-Nachfolge spekuliert wird, wird darum ein Mann von einem anderen Kontinent offensiv ins Spiel gebracht: Francis Arinze, der Kardinal aus Nigeria. Im Alter von neun Jahren wurde er getauft. Sein Lehrer und Missionar war der nigerianische Mönch Iwene Tansi, der 1998 selig gesprochen wurde und ein Kandidat für die Heiligsprechung ist. Eine der größten Herausforderungen für jeden künftigen Papst sehen viele Katholiken in einem versöhnlichen Dialog zwischen Christentum und Islam. In Nigeria prallen die Welten frontal aufeinander. Knapp die Hälfte der Nigerianer sind Muslime. Seit 1985 leitet Arinze im Vatikan das Ministerium für Religionsbeziehungen. Er reist viel und trifft sich regelmäßig mit Vertretern anderer Glaubensrichtungen.

Arinze erfüllt auch andere Kriterien, die in den USA als wichtig für die Papst-Nachfolge gelten. Er spricht fließend Englisch, ist charmant und telegen, dem Trend zur Zentralisierung und Bürokratisierung im Vatikan könnte er entgegenwirken. Allerdings ist er in seinen Ansichten kein Moderater. Arinze ist gegen Verhütung, Abtreibung, Priesterehe und weibliche Priester. Die katholische Morallehre verteidigt er – wie sein Förderer Johannes Paul II. – doktrinär.

Den amerikanischen Katholiken ist klar, aus ihrem Land wird der nächste Papst nicht kommen. Ein Vertreter der letzten Supermacht würde als Oberhirte auf zu viel Misstrauen stoßen. Dann, das sagen sie, mögen ihre Kardinalskollegen mutig sein. Ein afrikanisch geprägter Katholizismus wäre ein Fortschritt. Flüchtlinge, Armut, Aids: Das sind die drängenden Themen der Zeit. Arinze ist mit ihnen vertraut, wie kaum ein anderer.

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