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Politik: Aufgeschoben oder aufgehoben?

Das Schicksal der Föderalismusreform ist völlig ungewiss – obwohl die Verhandler von Bund und Ländern sich schon fast einig waren

Berlin - Franz Müntefering hat den Grund für Neuwahlen auch vor seiner SPD-Fraktion am Mittwoch nochmals bekräftigt: Angesichts der gegenläufigen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat sei ein vernünftiges Regieren nicht mehr möglich. Im Vermittlungsausschuss stünden nach der NRW-Wahl jetzt 14 rot- grüne gegen 18 Unionsstimmen. Zwar wehrt sich Unions-Parlamentsgeschäftsführer Norbert Röttgen gegen den Vorwurf, seine Seite blockiere dort. Doch zeigt die Statistik des Bundesrats, dass der Vermittlungsausschuss in dieser Legislaturperiode so häufig wie nie zuvor angerufen wurde: In den drei Jahren seit der letzten Wahl kamen 83 von 336 Bundesgesetzen in die Vermittlung, meist weil die Union den rot-grünen Entwürfen zunächst nicht zustimmte. Die Quote von 24,7 Prozent ist Rekord, in den Wahlperioden davor waren es um die 14 Prozent.

Doch wie ernst ist Münteferings Klage? Am Montag legte der SPD-Chef die von ihm und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) verhandelte Föderalismusreform auf Eis. Vor der Wahl formell nicht mehr machbar, sagt er. Für Verwunderung in Bundestag und Bundesrat sorgt aber Münteferings Aussage, beide Seiten seien noch weit auseinander – bei Bildung, Umwelt und Europa. Dagegen sagt Stoiber, die Reform sei ausverhandelt gewesen. Womit er wohl der Wahrheit näher liegt als Müntefering. Denn die beiden hatten sich vorgenommen, das Ergebnis am 1. Juni zu verkünden. Selbst bei der strittigen Bildungspolitik hatten sich beide Seiten bewegt und einen Kompromiss formuliert. Nun wirft Röttgen Müntefering vor, er blockiere die Reform, mit der die Blockade zwischen Bundestag und Bundesrat gelockert werden sollte.

Zwar erweckt man im Umfeld Münteferings den Eindruck, die Diskussion sei nicht abgebrochen. Man könne nach der Wahl weitermachen und zu einem Erfolg kommen. Doch ist völlig unklar, wie ein neuer Anlauf angegangen werden kann. Zudem fürchtet man in Reformerkreisen, dass bei einem Wahlsieg der Union angesichts „gleichfarbiger“ Mehrheiten in beiden Kammern die Reform vertagt werden könnte. „Der Leidensdruck wird dann fehlen“, heißt es. Der könnte allenfalls wieder entstehen, wenn die schwarz-gelben Koalitionen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt bei den Landeswahlen im März eine Mehrheit verfehlen. Dann wäre die Unionsmehrheit im Bundesrat dahin. Und der Vermittlungsausschuss wieder zentrale Instanz.

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