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Neue Wege: Ministerin Leyen mit Heeresinspekteur Kasdorf.

© imago/Christian Schroedter

Aufräumen mit Westerwelles Erbe: Steinmeier und Leyen wollen mehr militärisches Engagement

Deutschland soll mehr Verantwortung in weltweiten Konflikten übernehmen. Für eine „Kultur des Heraushaltens“ ist das Land zu wichtig, wie Außenminister und Verteidigungsministerin meinen.

Von Hans Monath

Vertreter der großen Koalition haben einen Aufbruch in der Außen- und Sicherheitspolitik angekündigt und ein stärkeres Engagement Deutschlands zur Lösung weltweiter Konflikte versprochen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bekannte sich in der Bundestagsdebatte am Mittwoch, in der es um die Außen- und Sicherheitspolitik ging, zum Prinzip militärischer Zurückhaltung. Zugleich machte er deutlich, dass er darunter anders als sein Amtsvorgänger Guido Westerwelle (FDP) nur den Vorrang eines politischen und zivilen Vorgehens und keine grundsätzliche Absage an deutsche Militäreinsätze zur Konfliktlösung in anderen Ländern versteht.

„So richtig die Politik der militärischen Zurückhaltung ist, sie darf nicht missverstanden werden als eine Kultur des Heraushaltens“, sagte der SPD-Politiker. „Dazu sind wir auch in Europa inzwischen ein bisschen zu groß und ein bisschen zu wichtig. Wir sind nicht ein Kleinstaat in einer europäischen Randlage“, fügte er hinzu. Die Krisen und Konflikte seien in den letzten Jahren „näher an uns herangerückt“. Da Europa wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise auf sich selbst konzentriert gewesen sei, würden „dramatische Entwicklungen jenseits unseres Tellerrandes“ oft unterschätzt.

In die gleiche Richtung argumentierte wenig später die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Beispiel der geplanten Einsätze in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) und Mali. „Wir haben diese EU-Mission gemeinsam als Europäer auf den Weg gebracht“, sagte Leyen zum ZAR-Einsatz. „Jetzt müssen wir uns auch gemeinsam verhalten.“ Konkret heißt das: Keine Kampfeinsätze, wohl aber Entlastung der Franzosen durch stärkeres Engagement in Mali und Transport von Schwerverletzten aus Zentralafrika. „Wir haben Fähigkeiten, die andere nicht haben“, sagte die CDU-Frau. „Dann muss man auch gemeinsam Verantwortung übernehmen.“

Kultur und Verantwortung sind inzwischen auch beliebte Begriffe anderer Unionspolitiker. Vize-Fraktionschef Andreas Schockenhoff spricht von einer „ Kultur der Verantwortung“, der neue Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU), von einer „Kultur des Engagements“.

Weg vom Vorgänger: Steinmeier verkündet die neue Linie. Foto: Maurizio Gambarini/dpa
Weg vom Vorgänger: Steinmeier verkündet die neue Linie. Foto: Maurizio Gambarini/dpa

© dpa

Diese Abkehr vom Leitmotiv der „Kultur der militärischen Zurückhaltung“, unter die Westerwelle seine Außenpolitik gestellt hatte, ist schon im Koalitionsvertrag angelegt. Während der Verhandlungen waren sich Steinmeier und der damalige CDU-Chefverteidiger Thomas de Maizière von Anfang an einig, dass sie diese Formel nicht verwenden werden. Was Westerwelle in der Bilanz seines Wirkens als eigene Leistung hervorgehoben hatte – dass die Bundesregierung in seiner Amtszeit keinen neuen Auslandseinsatz der Bundeswehr beschlossen hatte – sollte nicht Hauptziel deutscher Sicherheitspolitik bleiben. Bei den westlichen Verbündeten war diese Haltung teilweise als Flucht vor deutscher Verantwortung und moralische Überheblichkeit bewertet worden. Das galt vor allem für die deutsche Enthaltung im Weltsicherheitsrat zum Libyen-Einsatz 2011.

Westerwelle hat diese Entscheidung noch in seinen letzten Amtstagen verteidigt. Von der Leyen ging in ihren ersten Tagen im neuen Amt offen auf Distanz: Sie habe die Entscheidung als Kabinettsmitglied damals mitgetragen, „aber danach auch gesehen, welche Irritationen das bei den Verbündeten ausgelöst hat“, sagte sie gleich im ersten „Spiegel“-Interview. Am Mittwoch im Bundestag bekannte sie sich zu einer „Politik der vernetzten Sicherheit“ – dauerhafte Stabilität in einem Krisenland lasse sich nur durch den Wiederaufbau politischer Strukturen erreichen. Aber: „Streitkräfte sind gelegentlich nötig, um die Lage zu klären.“

Bei der Opposition stieß dieser Ansatz der neuen Bundesregierung auf Kritik. „Sie haben aus der Bundeswehr ein Instrument der Außenpolitik gemacht“, sagte Wolfgang Gehrcke (Linke). Seine Partei wolle alle Auslandseinsätze beenden. Grünen-Fraktionsvize Frithjof Schmidt ließ offen, wie die Grünen zu einer Ausweitung des Mali-Einsatzes und zu Medevac-Sanitätsflügen aus der Zentralafrikanischen Republik stehen. Aber die großkoalitionäre Generalrichtung kritisierte auch der Grüne: „Ministerinnen-Thesen, dass eine Kultur der militärischen Zurückhaltung überholt sei, die weisen in die falsche Richtung.“

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