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Politik: Aufstand der Reformer

Nach dem Ausschluss von Bewerbern für die Wahl droht nun sogar Irans Präsident mit Rücktritt

Noch bewahren beide Seiten im iranischen Machtkampf die Ruhe. Doch der Ton zwischen gewählten Reformern und den von Hardlinern dominierten, nicht gewählten Institutionen wird schärfer. Der iranische Präsident Mohammed Chatami drohte am Dienstag mit seinem Rücktritt und dem politischen Rückzug aller Reformer, sollte der religiöse Wächterrat den Ausschluss reformorientierter Kandidaten von der Parlamentswahl nicht zurücknehmen. „Wir werden alle zusammen gehen oder alle zusammen bleiben. Wir müssen standhaft bleiben“, sagte der Staatschef. „Wenn die Regierung ihrer Pflicht, die Rechte der Bürger zu schützen und freie Wahlen zu organisieren, nicht nachkommen kann, sollte sie nicht im Amt bleiben", wurde auch der iranische Vizepräsident Mohammed Satarifar zitiert. Die 27 amtierende Gouverneure haben den Konservativen nun eine Woche Zeit gegeben, die Krise zu lösen.

Der Chef der größten iranischen Reformpartei, Mohammed Resa Chatami, warnte jedoch vor einer Eskalation der Lage. Der Bruder des Präsidenten und Vorsitzende der Islamisch-iranischen Beteiligungsfront sagte in Teheran, sollten die von den Reformern organisierten Sitzstreiks erfolglos bleiben, habe seine Partei „andere Pläne, die wir später bekannt geben werden“. Chatami ist selbst von der Ausschlussverfügung des Wächterrats betroffen.

Zwar haben die Reformer, die das Parlament beherrschen, den Präsidenten sowie die 27 Gouverneure stellen, rechtlich keine Möglichkeit, das Votum des Wächterrates, der mehrere tausend Reformkandidaten von den Wahlen ausschloss, zu Fall zu bringen. Doch wenn die Gouverneure aller iranischen Provinzen ihre Drohung wahr machen und zurücktreten, könnten die Wahlen am 20. Februar wohl nicht stattfinden. Denn die Gouverneure sind administrativ für die Durchführung der Wahlen zuständig.

Die provokative Entscheidung des Wächterrates, über 40 Prozent aller Kandidaten nicht für die kommenden Wahlen zuzulassen, hat noch einmal deutlich gemacht, warum es in Iran trotz einer Mehrheit von Reformern in den demokratisch gewählten Gremien politisch nicht vorangeht. Die iranische Verfassung sieht einerseits ein demokratisches System vor: Parlament und Präsident werden frei gewählt, diese Institutionen sind von Reformern beherrscht. Daneben hat das System jedoch theokratische Elemente wie den obersten Religionsführer, der niemandem Rechenschaft ablegen muss, und den Wächterrat. Ein Anzeichen dafür, dass einige Reformer diesmal die offene Auseinandersetzung suchen, sind die Äußerungen des Reformklerikers Mohsen Kadivar: Er warf dem obersten Religionsführer Chamenei offen Parteilichkeit vor.

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