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Politik: Auftakt zum Milliardenpoker

Die ostdeutschen Ministerpräsidenten suchen nach einer Grundlage für den Aufbau OstAlbert Funk Kurt Biedenkopf hat den Aufbau Ost gedanklich abgehakt. Das heißt nicht, dass er ihn für erledigt hält.

Die ostdeutschen Ministerpräsidenten suchen nach einer Grundlage für den Aufbau OstAlbert Funk

Kurt Biedenkopf hat den Aufbau Ost gedanklich abgehakt. Das heißt nicht, dass er ihn für erledigt hält. Doch für den sächsischen Ministerpräsidenten, der gerne weit über die Tagespolitik hinaus denkt, ist klar: "Die wesentlichen Probleme sind überwunden oder wir haben sie zumindest im Griff." Das sagte er am Montagabend in Berlin. Und relativierte die angespannte Arbeitsmarktsituation im Osten mit dem Verweis auf die Erwerbstätigenquote: Die sei im Osten so hoch wie im Westen, sein Sachsen etwa stehe an sechster Stelle unter den Ländern, was den Anteil der Beschäftigten an der Gesamtbevölkerung angehe. Doch mehr Menschen als im Westen wollten Arbeit haben, auch deshalb sei die Arbeitslosenquote höher. Diese höhere Nachfrage resultiere aus dem geringen Vermögen der Ostdeutschen. Die weitaus geringere private Vermögensbildung im Osten "wird uns auch noch in 50, 60 Jahren an die Teilung Deutschlands erinnern", sagte Biedenkopf. Der Vorsprung der reichen Westdeutschen ist nach den Worten Biedenkopfs nicht einholbar.

Bei den öffentlichen Investitionen ist das jedoch zum Teil gelungen, bisweilen ist der Osten hier moderner als der Westen. Dies ist ein Problem für die ostdeutschen Regierungschefs, die sich an diesem Mittwoch in Magdeburg treffen, um über die Lage in den ostdeutschen Ländern und ihre Forderungen für einen neuen Solidarpakt zu beraten. Bis 2004 noch läuft der 1993 geschlossene Solidarpakt, in welchem dem Osten die - alles in allem - jährlich dreistelligen Milliardenhilfen für den Aufbau zugesichert worden sind. Die Vereinbarung von 1993 führte zu einem neuen Finanzausgleichsystem, in dem die Mittel aus dem Länderfinanzausgleich durch Ergänzungshilfen des Bundes so aufgestockt wurden, dass die ostdeutschen Länder auf einem höheren Niveau lagen als die Länder im Westen. Wegen der gewaltigen Aufbauleistungen war das unstrittig. Unstrittig ist auch, selbst Bayern sieht das ein, dass die Hilfen weiter gebraucht werden. Umstritten ist freilich, wie hoch die Hilfen künftig sein müssen. Insgesamt wurde der Finanzbedarf für Ostdeutschland damals auf 56,8 Milliarden Mark jährlich festgelegt - die neuen Länder hatten zunächst 78 Milliarden verlangt.

Klar ist, dass einige Bereiche keinen Sonderbedarf mehr haben: die Krankenhäuser, zum großen Teil die Pflege- und Alteneinrichtungen, auch die vor 1990 völlig marode Abwasserentsorgung. Auch im Straßenbau ist viel erreicht worden. Der Hochschulausbau ist weit gediehen. Dennoch klafft zum viel beschworenen West-Niveau eine Lücke, die auf 30 bis 40 Prozent beziffert wird. Fünf Wirtschaftsinstitute sind daher im vorigen Jahr gebeten worden, die Situation zu analysieren und mit Zahlen untermauerte Argumentationshilfe zu liefern für den anstehenden Milliardenpoker mit Bundesregierung und West-Ländern: das Institut für Wirtschaftsforschung Halle, das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (Essen), das Ifo-Institut in München, das Institut für Ländliche Strukturforschung und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (Berlin). In Magdeburg wird nun das Ergebnis vorgestellt, nachdem zunächst große Diskrepanzen herrschten zwischen den einzelnen Instituten. Von Summen zwischen 140 bis 360 Milliarden Mark war da die Rede. Der Tenor jetzt: Eine dreistellige Milliardensumme wird nötig sein für die weitere Angleichung der Infrastruktur.

Der Gastgeber der Ministerpräsidentenkonferenz, der Magdeburger Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD), fordert eine Fortsetzung der Hilfen auf "hohem Niveau". Seiner Ansicht nach würde die Angleichung noch weitere 20 Jahre dauern, "wenn man die Zahlungen auf dem bisherigen Niveau hält". Der sächsische Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) hat unlängst aber nochmals eingeräumt, dass nach 2004 mit Sicherheit weniger Geld in den Osten fließen wird. Davon gehen insgeheim alle ostdeutschen Regierungen aus. Unterschiede bestehen bei der Ausgangsposition. Derzeit sind nur 60 Prozent der öffentlichen Ausgaben im Osten selbst erwirtschaftet, 40 Prozent der Haushalte müssen mit den Transferleistungen aus dem Westen gedeckt werden. Für Schommer ist klar, dass damit eine Schuldenkrise auf die neuen Länder zukommt. Sachsen, das am geringsten verschuldete Ost-Land, sieht sich daher besser gerüstet als die anderen. Höppner setzt auf die Bundesregierung und damit auf die eigene Partei. Unlängst hat er darauf verwiesen, dass der Bund nach dem Grundgesetz dafür zuständig ist, für den Ausgleich zwischen schwachen und starken Regionen zu sorgen. Bundesergänzungszuweisungen und Investitionsförderung des Bundes machten bislang 21 Milliarden Mark aus. Das dürfte Höppner weiterhin für nötig halten.

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