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Umgeben von Verehrerinnen. Silvio Berlusconi, den die Italienerinnen und Italiener drei Mal zum Regierungschef gewählt haben, will in Zukunft auch weiter zumindest indirekt politisch Einfluss nehmen. Foto: Murad Balti/dpa

© Murad Balti / dpa

Silvio Berlusconi: Aus dem Altenheim zurück ins pralle Leben

Der Steuerbetrüger Silvio Berlusconi hat seinen Sozialdienst im Altenheim abgeleistet - mit neuer Aggressivität mischt er nun auf dem Medienmarkt mit.

Der Schritt in die Freiheit kann so schmerzhaft sein. Da ist Silvio Berlusconi vor ein paar Tagen aus dem Auto ausgestiegen; irgendwie hat er den Fuß falsch aufgesetzt und sich den Knöchel gebrochen. Nichts Schlimmes, nein, aber furchtbar ärgerlich für einen, der gerade jetzt neu starten will.

Vor sieben Jahren hat Berlusconi schon einmal Schlagzeilen beim Aussteigen aus einem Auto gemacht. Da verließ er, nach einer Wahlkundgebung mitten im nächtlichen Mailand, seinen Wagen – aber nur, um größer herauszukommen, um sich aufs Trittbrett zu stellen und machtvoll den Zusammenschluss des rechten Lagers zur Einheitspartei anzukündigen, unter seiner alleinigen Führung natürlich. Resultat damals: ein Wahlsieg. Resultat heute: Krücken.

Am Sonntag soll der rechtskräftig verurteilte Steuerbetrüger Berlusconi also seinen Sozialdienst loswerden, den er seit Mai 2014 in einem Altenheim ableistet: Einmal die Woche verbringt der 78-Jährige einen Vormittag bei Alzheimerpatienten. Auf die gerichtlich angeordneten zwölf Monate hat Berlusconi jetzt 45 Tage Rabatt bekommen. Wegen guter Führung, wegen Zuverlässigkeit, urteilte die zuständige Richterin.

Berlusconi konnte es gar nicht erwarten, wieder den Jungen geben und damit ganz der Alte sein zu dürfen. Im Mai stehen Wahlen an in sieben Regionen Italiens, ein Drittel des Landes ist zu den Urnen gerufen. Wenn er da nicht hätte dabei sein dürfen, bei seiner Spezialdisziplin, dem Wahlkampf. Dem Sozialdienst leistenden und vier Tage pro Woche im eigenen Haus eingesperrten Berlusconi ist viel zwischen den Fingern zerronnen in den vergangenen zehn Monaten. Seine Beliebtheitswerte liegen bei elf Prozent und sinken weiter; in Venetien, einer Schlüsselregion bei den kommenden Regionalwahlen, kann Berlusconis „Forza Italia“ nur mehr mit sechs Prozent der Stimmen rechnen. Besser gesagt: die Liste, die als „Forza Italia“ antritt, die Partei dahinter gibt es schier nicht mehr.

Da ist eine Auflehnung aller gegen alle. Die Jungen um den Europaabgeordneten Raffaele Fitto drängen ans Ruder, gläubige Berlusconianer wollen ihren alten Chef wiederhaben: den Löwen, den Beherrscher der Szene, nicht den aktuellen, der sich für sie zum Sklaven Renzis gemacht hat, zum Handlanger eines gegnerischen, sozialdemokratischen Regierungschefs, und der sich von diesem auch noch regelmäßig übertölpeln lässt. Wo ist da noch Partei-Identität? Wo endet Italiens auf jenem Trittbrett so glorreich vereinigte Rechte? Wer folgt auf Berlusconi? Liegt die Rettung in ihm selber? Aber in welcher seiner Gehirnhälften?

Ist denn überhaupt sicher, dass Berlusconi seinen Sozialdienst und seinen halbwöchigen Hausarrest loskriegt? Zwei Tage nach seiner bisher zugestandenen Befreiung werden sich Italiens höchste Richter abschließend mit dem Fall Ruby befassen. Sieben Jahre Haft hatte Berlusconi dafür in erster Instanz eingefangen – für Prostitution mit Minderjährigen und Druck auf Polizeifunktionäre, also Amtsmissbrauch. Die zweite Instanz hatte ihn freigesprochen. Was also werden nun die Kassationsrichter beschließen?

Aggressiv und auffallend macht Berlusconi derzeit mit Vorstößen von sich reden. Berlusconi und seinen fünf Kindern gehört ja immer noch der größte Medienkonzern Italiens, und auch wenn Marina, seine älteste Tochter, formell die Chefin dieses Fininvest-Konglomerats ist, so hält Silvio persönlich immer noch 61 Prozent der Anteile. Schon im Januar hatte die Mailänder Börse erhebliches Gebrause verzeichnet. Die lange dahindümpelnden Aktien von Berlusconis Mediaset – der Fernsehsparte von Fininvest – hatten in verblüffendem Umfang an Wert gewonnen. Spekulationen gab’s, der Alte wolle seinen Konzern verkaufen. Im Februar tat er es tatsächlich, aber nur zu 7,8 Prozent, und allein um Geld – 377 Millionen Euro in diesem Fall – einzusammeln für größere Coups.

Diese folgten kurz darauf. Der von schweren Defiziten geplagten Mailänder Verlagsgruppe RCS hat Berlusconi angeboten, die Büchersparte zu übernehmen. Das würde etwa 135 Millionen Euro kosten. Und es würde den Marktanteil von Berlusconis Verlagshaus Mondadori – ohnehin schon der größte Buchkonzern Italiens – auf mindestens 40 Prozent weiter wachsen lassen. Nicht nur das: Wenn Berlusconi bei RCS einen Fuß in die Tür bekommt, dann öffnet sich womöglich auch die dort verlegte, meistgelesene und einflussreichste Tageszeitung Italiens: der „Corriere della Sera“. Und Silvio Berlusconis Meinungsmacht über das Land, gestützt wie eh und je auf sein Fernsehimperium Mediaset, wäre erdrückend – egal welcher Politiker unter oder nach ihm das Land anführt.

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