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Über den Weg der Wiedervereinigung zu einem friedlichen und fortschrittlichen Staat: Aus den FDGB-Leitsätzen

© Imago

Ein DDR-Kalender von 1958: Aus der Zeit fallen

Unser Autor entdeckt einen alten DDR-Kalender von 1958. Die Tage sind mit 2014 identisch. Und auch sonst lässt sich darin viel "Neues" entdecken: Die DDR in ihren jungen Jahren suchte die Nähe zum Westen. Nur eine Kapitalismusgröße war verpönt.

Von Matthias Meisner

1958 ist ein gutes Jahr. Wohlgemerkt: ist, nicht war. Denn jetzt endlich kann der kleine rote Taschenkalender zum Einsatz kommen, der im Sommer auf dem Trödel zu finden war, herausgegeben vom DDR-Gewerkschaftsbund FDGB. Zeitlos im roten Plasteeinband. Fast alles passt wieder für 2014: Neujahr war auch ein Mittwoch, der 1. Mai Staatsfeiertag. Kein Schaltjahr. Und Weihnachten war Weihnachten. Nur Ostern und Pfingsten lagen zwei Wochen früher als im kommenden Jahr. Das lässt sich handschriftlich ändern.

Überhaupt, die Fülle an Gedenktagen. Im Schnitt zwei, drei pro Woche. Fritz Heckert geboren, Fritz Heckert gestorben, Ernst Thälmann geboren. So geht das weiter: Streik um den Achtstundentag in Chicago, Tag des Kindes, Matrosenaufstand in Kiel, Große Sozialistische Oktoberrevolution. Dass der XX. Parteitag der KPdSU 1956 mit dem Personenkult brach und die Entstalinisierung einleitete, war in Ostberlin noch nicht so richtig angekommen. „1953 J. W. Stalin gestorben“ lautet der Eintrag zum 5. März, und seines Geburtstags am 21. Dezember 1879 galt es auch zu gedenken. Im Rückblick nicht vorzuwerfen ist dem FDGB, dass der 17. Juni nicht auftaucht. Dieser Feiertag war schließlich von der alten Bundesrepublik 1990 selbst abgeschafft worden.

Gegen das Monopolkapital in Westdeutschland

Niemand hatte die Absicht, eine Mauer zu errichten. Drei Seiten umfasst das Kapitel „Zur Wiedervereinigung Deutschlands“. Sie sei, heißt es dort, „das unabänderliche Recht und die ureigenste Sache der deutschen Arbeiterklasse und des deutschen Volkes“. Die Pläne waren in den 50ern sehr konkret – sie bestanden in einem Forderungskatalog an Westdeutschland. Dort müsse die Wehrpflicht abgeschafft, der Austritt aus der Nato per Volksabstimmung besiegelt sowie die Macht der Monopole und der Großgrundbesitzer beseitigt werden. 1989 ließ sich das so nicht durchsetzen.

Beinahe ersetzt der FDGB-Kalender für das Jahr 1958 ein Lexikon: Kfz-Kennzeichen, Postgebühren, chemische Elemente, Sterbegeldordnung. Dazu ein Entfernungsanzeiger für Deutschland – gerade erst waren die ersten Wartburgs in Eisenach gefertigt worden. 867 Kilometer von Görlitz von Aachen, 903 von Rostock nach Stuttgart. Die Welt stand DDR-Bürgern noch ziemlich weit offen, anders als in den 28 Jahren nach dem 13.August 1961. Die 24-Stunden-Uhr reicht von Belgien bis Uruguay. Natürlich erklärt sie auch, wie die Uhr tickt im sozialistischen Staatenbund. Das drittgrößte Land der Welt war für die DDR allerdings aus der Zeit gefallen: Die USA fehlen in der Tabelle.

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