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Politik: Aus Feinden werden Partner

Die Türkei und Griechenland wollen künftig eine gemeinsame Militäreinheit für Nato-Operationen stellen

Es ist noch nicht allzu lange her, da hätten die Türkei und Griechenland beinahe einen Krieg begonnen. Im Jahr 1996 belauerten sich Kriegsschiffe der Nachbarn in der Ägäis wegen eines Streits um eine unbewohnte Felseninsel. Jetzt wollen Türken und Griechen wieder ihre Streitkräfte mobilisieren – als Zeichen der Freundschaft: Zum ersten Mal planen die früheren Erzfeinde die Aufstellung einer gemeinsamen Militäreinheit. Die griechisch-türkische Truppe soll bei Friedenseinsätzen im Rahmen der Nato eingesetzt werden. Ein weiterer Höhepunkt der türkisch-griechischen Entspannung soll ein historischer Besuch des griechischen Premiers Kostas Karamanlis Anfang nächsten Jahres in der Türkei werden.

Die Militärpläne, die an das Muster der deutsch-türkischen Brigade erinnern, sind Teil eines neuen Pakets vertrauensbildender Maßnahmen, das der türkische Außenminister Ali Babacan am Dienstag in Athen mit seiner Amtskollegin Dora Bakoyannis vereinbarte. Die griechisch- türkische Truppe soll nach Angaben türkischer Diplomaten bei internationalen Missionen wie der in Afghanistan zum Einsatz kommen. Einzelheiten sollen von den Militärs beider Länder ausgearbeitet werden. Zu dem Paket gehören gemeinsame Manöver, intensivierte Kontakte zwischen hohen Militärs sowie die Schaffung einer gemeinsamen Einheit für den Katastropheneinsatz.

Babacan und Bakoyannis verwiesen in Interviews mit Medien des jeweils anderen Landes darauf, dass die Regierungen in beiden Hauptstädten frisch im Amt bestätigt und deshalb für weitere Annäherungsschritte voll handlungsfähig seien. Bakoyannis sagte außerdem, sie hätte nichts gegen einen türkischen Schwiegersohn oder Schwiegertochter.

Seit der spontanen gegenseitigen Hilfe der türkischen und griechischen Bevölkerungen nach Erdbeben in der Türkei und in Athen 1999 sind beide Länder auf einem vorsichtigen Versöhnungskurs. Die bisherigen Trippelschritte waren zwar selten spektakulär, trugen aber zum Aufbau von Vertrauen bei. Erst vor wenigen Wochen wurde eine Gaspipeline von der Türkei nach Griechenland in Betrieb genommen. Babacan und Bakoyannis bereiteten in Athen auch den für Ende Januar geplanten Besuch von Karamanlis in Ankara vor. Es wäre der erste Besuch eines griechischen Regierungschefs in der türkischen Hauptstadt seit fast 50 Jahren.

Möglich sind solche Erfolge einmal, weil Türken und Griechen erkannt haben, dass sie einander brauchen: Ankara kommt ohne Athen nicht in die EU – und für Athen ist eine europäisch disziplinierte Türkei sehr wichtig. Zudem haben sich die Nachbarn darauf verständigt, die größten Streitthemen vorerst auszublenden. So werden von Babacans zweitägigem Besuch in Athen keine Fortschritte in der festgefahrenen Zypernfrage erwartet. Der Streit um Gebietsansprüche in der Ägäis schwelt ebenfalls weiter. Die Türkei droht den Griechen weiter mit Krieg, sollte der Nachbar seine Hoheitsgebiete einseitig ausweiten. Auch während Babacans Besuch kamen sich Kampfjets beider Länder nach türkischen Angaben über der Ägäis gefährlich nahe.

Davon wollen sich die beiden Außenminister nicht bremsen lassen. „Es ist Zeit für eine neue Ära“, sagte Bakoyannis der türkischen Zeitung „Milliyet“. „Wir reichen den Türken die Hand.“

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