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Der Tatort. Die Berliner Diskothek war Treffpunkt von US-Soldaten.

© dapd

Aus Libyen gesteuert: La Belle: Der vergessene Anschlag

Vor 25 Jahren explodierte in Berlin-Friedenau die Diskothek „La Belle“. Bernd Matthies war damals Polizeireporter des Tagesspiegels. Hier erinnert er sich an den aus Libyen gesteuerten Anschlag.

Viel war nicht zu sehen vor dem unscheinbaren Gebäude in der Hauptstraße in Friedenau am Morgen des 5. April 1986. Der Baldachin mit der Aufschrift „La Belle“ ragte aus einem Baugerüst hervor, ein Stück der Fassade war auf die Straße gestürzt, und nach und nach trugen Helfer den Schutt der Explosion nach draußen, die sich an diesem Sonnabend gegen 1 Uhr 45 ereignet hatte. Die vor der Tür wartenden Reporter waren genauso ratlos wie die zahlreichen Polizisten, wussten von drei Toten und etwa 230 Verletzten. Was war hier passiert? 

Im Laufe des Vormittags kam auch noch Eberhard Diepgen vorbei, der Regierende Bürgermeister, um sich einen persönlichen Eindruck von den Folgen des Terroranschlags auf die Diskothek zu verschaffen, eine große Sonderkommission des Staatsschutzes nahm die Ermittlungen auf. Der Rest des Dramas wurde auf der weltpolitischen Bühne weitergespielt: Der erste Eindruck, dass sich das Attentat gegen einen Treffpunkt amerikanischer Soldaten gerichtet hatte, verfestigte sich zur Gewissheit. US-Geheimdienste hatten ein paar Funksprüche zwischen Tripolis und dem libyschen „Volksbüro“ in Ost-Berlin aufgefangen, das Militär handelte sofort und ließ Tripolis bombardieren. Aus deutscher Sicht wurde erst sehr viel später nachweislich klar, dass das Gaddafi-Regime tatsächlich für den Anschlag verantwortlich war.

Kaum ein Berliner hatte vorher schon etwas von der Friedenauer Diskothek gehört, auch Touristen verirrten sich so gut wie nie in das große Lokal, denn es war fest in der Hand amerikanischer Soldaten, die sich hier nach Dienstschluss zum feuchtfröhlichen Feiern einfanden – ein Phänomen der späten Besatzungszeit West-Berlins. Deshalb war in der Stadt auch kaum ein Schock zu spüren; allenfalls Berliner mit guten persönlichen Kontakten zu den Amerikanern nahmen besonderen Anteil, telefonierten, spekulierten.

Der internationale Terrorismus war damals für Deutschland ein exotisches Phänomen, auch wenn der Bombenanschlag auf das „Maison de France“ drei Jahre zuvor natürlich unvergessen war. Doch dessen Hintergrund galt damals noch als weitgehend rätselhaft, selbst Geheimdienstler hatten Schwierigkeiten, die verschiedenen Schreckgespenste wie Carlos oder die Gruppe Abu Nidal konkreten Zielen und Handlungen zuzuordnen. Hinzu kam, dass die Berliner Polizei mit ihren Auskünften mehr als zurückhaltend war, denn sie musste jeden Schritt mit den US-Behörden abstimmen, die in dieser Affäre das Sagen hatten. Das Ergebnis war, dass die Stadt schnell zur Tagesordnung überging. Das „La Belle“ wurde nie wieder eröffnet und geriet nach dem Umbau des Gebäudes in Vergessenheit.

Heute, 25 Jahre danach, gilt das Verbrechen als restlos aufgeklärt. Die schillernde Haupttäterin Verena C., ein Callgirl mit engen Kontakten zur Stasi, hatte die Bombe gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Andrea H. gelegt. Auf der Anklagebank saß auch der Palästinenser Yasser C., der den Anschlag organisiert hatte, sowie Ali C., der Ex-Ehemann der Haupttäterin. Sie wurden zu Haftstrafen zwischen zwölf und 14 Jahren verurteilt. Libyen erklärte sich erst 2004 nach jahrelangem Ringen bereit, die Opfer zu entschädigen: Die 168 deutschen Überlebenden des Attentats erhielten insgesamt 135 Millionen US-Dollar. Das Tauwetter in den deutsch-libyschen Beziehungen konnte beginnen.

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