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Politik: Aus Milosevics Garde

Ivica Dacic ist neuer serbischer Premier.

Zagreb/Belgrad - Zwölf Jahre nach dem Sturz von Slobodan Milosevic stellen Sozialisten und Nationalisten wieder die Regierung in Serbien. Der neue Premierminister Ivica Dacic war in den 90er Jahren Sprecher der Sozialisten und die „rechte Hand“ von Milosevic. Dacic, ein Techniker der Macht, bleibt auch Innenminister im neuen Kabinett, obwohl seine Partei SPS bei den Wahlen nur 14, 5 Prozent der Stimmen bekam. Der Mann, der sich schon mal für die Entsendung serbischer Soldaten in den Kosovo aussprach, bezeichnet sich selbst als serbischen Nationalisten.

Der größte Koalitionspartner, die Fortschrittspartei von Präsident Tomislav Nikolic, ist Nachfolger der ultranationalistischen Radikalen Partei, die früher für Großserbien eintrat. Heute spricht sie sich für den EU-Beitritt aus. Doch viele Köpfe sind gleich geblieben. Der neue Sicherheits- und Verteidigungsminister Aleksandar Vucic etwa war Informationsminister unter Milosevic und für Einschränkungen der Pressefreiheit bekannt. Außenminister Ivan Mrkic, Schatzmeister der Familie Milosevic genannt, war Botschafter in Zypern. Jugoslawien, das damals unter UN-Sanktionen stand, wickelte seine Geschäfte über den Inselstaat ab.

Heute ist das Hauptthema der Regierung Dacic allerdings nicht die serbische Nation, sondern die Ankurbelung der Wirtschaft und die Reduzierung der Arbeitslosigkeit, die bei knapp 26 Prozent liegt. Der Durchschnittsverdienst beträgt 350 Euro. Die Industrieleistung liegt bei nur 40 Prozent dessen, was Serbien noch in den späten 80er Jahren produzierte. Sowohl die Fortschrittspartei als auch die Sozialisten haben ihre Glaubwürdigkeit als Arbeiter- und Wohlfahrtsparteien zu verlieren. Dacic, der noch im Wahlkampf gegen die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) war, hat bereits angekündigt, dass die Gespräche wieder aufgenommen werden. Im Februar war ein Kreditabkommen über eine Milliarde Euro vom IWF eingefroren worden, da Belgrad nicht die Löhne und Pensionen einfrieren wollte. Das will Dacic auch heute nicht. Einsparungen soll es in der Verwaltung geben. „Wir werden nicht verlangen, dass die Leute ihre Gürtel enger schnallen“, versprach er, ohne zu verraten, wo stattdessen gespart werden soll.

In der Kosovo-Politik gibt sich die neue Regierung pragmatisch. Aus einem schlichten Grund: Man will möglichst bald einen Termin für den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen und ist sich bewusst, dass dies nicht ohne weitere Zugeständnisse gehen wird. Die EU verlangt, dass zunächst die Vereinbarungen, die im Dialog zwischen Belgrad und Pristina beschlossen wurden, umgesetzt werden. Dafür bleibt nur wenig Zeit, denn der nächste Fortschrittsbericht der Kommission soll schon im September ausgearbeitet werden. In Belgrad vermuten einige Beobachter, dass die Regierung zwar einen nationalistischen Tonfall pflegen dürfte, aber möglicherweise im Fall Kosovo sogar kompromissbereiter sein könnte als ihr Vorgänger, weil sie eben keine nationalistische Opposition im Zaum halten muss. Adelheid Wölfl

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