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Politik: Ausländer in Saudi-Arabien in Angst

Kollege des getöteten irischen BBC-Manns außer Lebensgefahr / Dritter Anschlag binnen weniger Wochen

Nach einem weiteren tödlichen Anschlag in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad breiten sich unter den im Land lebenden Ausländern Sorge und Verunsicherung aus. Am Sonntag wurde ein irischer Kameramann des britischen Senders BBC aus einem vorbeifahrenden Auto erschossen. Sein Kollege, ein britischer BBC-Korrespondent, wurde von Schüssen verletzt. Er musste operiert werden, war aber am Montag in stabilem Zustand.

Die beiden hatten vor dem Haus eines Islamisten gefilmt, als plötzlich aus dem Auto heraus das Feuer auf sie eröffnet wurde. Bei dem Toten handelt es sich um den 36-jährigen Simon Cumbers, verletzt wurde der 42-jährige Frank Gardner. Die BBC teilte mit, die beiden seien nach den Anschlägen in der Ölstadt Chobar in der vergangenen Woche nach Saudi-Arabien gereist und hätten von dort berichtet.

„Man ist vorsichtiger geworden und überlegt zweimal, ob man in den Supermarkt fährt oder nicht“, erzählt ein Deutscher, der seit drei Jahren in Riad lebt. Auch das freitägliche Wandern im Wadi gleich hinter einem Ausländerviertel in Riad ist seit Mai gestrichen: Saudische Sicherheitskräfte fordern die Wanderer zur Umkehr auf, weil man anscheinend Angst vor Scharfschürzen hat.

Die Ermordung eines Deutschen beim Einkaufen in Riad Anfang Mai hatte die westlichen Ausländer in Saudi-Arabien fast noch mehr aufgeschreckt als die Überfälle und Entführungen in der Stadt Chobar, die vor zehn Tagen 22 Tote forderten. „Das war so eine Alltagssituation, wie sie jeder kennt“, meint der Deutsche im Telefongespräch mit dieser Zeitung. Verschiedene westliche Botschaften warnen vor Reisen nach Saudi-Arabien, andere erwägen, die freiwillige Ausreise von Familienangehörigen zu empfehlen. Aber von einem Massenexodus kann noch keine Rede sein.

„Viele Westler fahren jetzt sowieso in den Jahresurlaub in die Heimat und erwägen, diesmal etwas länger zu bleiben und die weitere Entwicklung abzuwarten“, berichtet eine saudische Frau aus Djeddah, die mit einem westlichen Ausländer verheiratet ist, im Telefongespräch. Sie kenne bisher keinen Ausländer, der definitiv die Zelte abgebrochen hätte.

Insgesamt etwa 5,6 Millionen Ausländer arbeiten in dem Erdölstaat Saudi-Arabien. Davon sind etwa 35 000 Amerikaner und 30 000 Briten, die größtenteils in der Erdölindustrie in den Ostprovinzen des Landes arbeiten. Im Westen stellt man sich die bange Frage, welche Auswirkungen ein Massenexodus dieser Ausländer auf die saudische Ölproduktion hätte. Der saudische Erdölminister Ali al Naimi erklärte vergangene Woche, es hätte keine Folgen, wenn gleichzeitig zehn Prozent der ausländischen Arbeitskräfte das Land verließen.

Der Direktor von PFC Energy, Roger Diwan, bestätigte, dass dies keine kurzfristigen Auswirkungen auf Förderung, Bearbeitung oder Transport von Erdöl haben würde. Er sieht die Problem eher mittelfristig bei der Erschließung neuer Ölfelder oder der Modernisierung veralteter Förder- und Raffinerieanlagen. Hier seien die US-Unternehmen führend und schwer zu ersetzen.

Nach Angaben westlicher Diplomatenkreise in Riad denken Personen, die erst seit kurzem in Saudi-Arabien sind, über eine mögliche Ausreise aufgrund der politischen Ereignisse nach. Viele der in der Erdölindustrie tätigen Briten und Amerikaner seien jedoch „Veteranen“, die seit Jahrzehnten im Lande sind. Sie sind einerseits nicht so leicht zu erschrecken, außerdem haben sie teilweise gar keine große Wahl: Die ungemein lukrativen Arbeitsverträge in Saudi-Arabien ermöglichen ihnen einen Lebensstandard, den sie nicht mehr missen möchten. Teilweise finanzieren sie auf diese Weise die Studien ihrer Kinder. Ältere Arbeitnehmer würden auch gar nicht so leicht einen Job in der Heimat finden, heißt es aus diesen Diplomatenkreisen.

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