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Auch heimkehrende Kriegsgefange kamen ins Lager Friedland.

© picture-alliance/ dpa

Aussiedler: Das Lager Friedland wird Museum

Millionen Vertriebene, Aussiedler und Flüchtlinge durchliefen die Auffangstelle bei Göttingen. Doch die Zahlen gehen zurück. Ab 2014 soll dort nur noch die Geschichte der Flüchtlinge erzählt werden.

Göttingen - Für das zuletzt nicht mehr ausgelastete Grenzdurchgangslager Friedland bei Göttingen verfolgt die niedersächsische Landesregierung große Pläne. 2014 sollen dort ein Museum und eine Forschungsstätte eröffnet werden. Bereits in dieser Woche beginnt die Tagungsreihe „Friedländer Gespräche“ – Experten aus dem In- und Ausland wollen im Lager über Heimat und Zuwanderung diskutieren.

Vor kurzem hat das Land den 1890 errichteten Friedländer Bahnhof gekauft, über den ein großer Teil der insgesamt weit über vier Millionen Flüchtlinge, Vertriebenen und Aussiedler das Lager in den vergangenen Jahrzehnten erreicht hat. Das Bahnhofsgebäude wird nun saniert und soll später eine Dauerausstellung über die wechselvolle Geschichte des Lagers beherbergen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschten überall in Deutschland Hunger, Chaos und Verzweiflung. Millionen Flüchtlinge und Vertriebene irrten über die Straßen, die Versorgung der Menschen mit Kleidung und Nahrungsmitteln sowie der öffentliche Verkehr waren zusammengebrochen. In Friedland, wo drei Besatzungszonen aneinanderstießen, ordneten die Alliierten die Einrichtung eines Auffanglagers an. Über Nacht wurde Friedland zum Anlaufpunkt für Hunderttausende. Als erste Behelfsunterkünfte dienten Schweine- und Pferdeställe. Nach Vertriebenen und entlassenen Kriegsgefangenen kamen die Spätaussiedler und jüdische Kontingentflüchtlinge. Auch politische Flüchtlinge fanden vorübergehend Aufnahme: Rund 3000 Ungarn, die 1956 nach dem gescheiterten Aufstand ihr Land verlassen hatten, in den 1970er Jahren verfolgte Pinochet-Gegner aus Chile, später „Boat People“ aus Vietnam oder Flüchtlinge aus Albanien.

Weil die Aussiedlerzahlen in den vergangenen Jahren zurückgingen, suchte und fand das Land Niedersachsen weitere Aufgaben für das Lager Friedland. Seit Anfang 2010 dient es auch als Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber. Im September dieses Jahres kamen die ersten 300 von insgesamt 900 Flüchtlingen aus nordafrikanischen Lagern, die vom UN-Hilfswerk UNHCR als besonders schutzbedürftig eingestuft wurden. Sie alle erhalten Erstaufnahmeformulare in Friedland und werden nach einem kurzen Willkommenskurs auf die Bundesländer verteilt.

Vom Bahnhof aus soll ein „Themenpfad“ die Besucher durch das Lager und seine historischen Bauten und Denkmale führen: die Nissenhütte, die evangelische Lagerkapelle und die katholische Kirche St. Norbert, die Friedland-Glocke und die so genannte Freiheitsstatue – das wuchtige Denkmal aus Muschelkalk zeigt einen Heimkehrer, der mit kräftigem Schritt den Stacheldraht niedertritt. Auch die meist ehrenamtliche Arbeit der Wohlfahrtsverbände und Hilfsorganisationen, die die Neuankömmlinge mit Kleidung, Kinderspielzeug und Bibeln versorgten, soll im Museum gewürdigt werden. Ein „Medienarchiv“ soll den Besuchern zur eigenen Recherche offenstehen. Bereits seit dem Spätsommer tourt ein „Jahrhundertbus“ durch Niedersachsen, um Berichte von Zeitzeugen aus den Anfangsjahren des Lagers zu sammeln. Die in einem mobilen Studio aufgezeichneten Interviews sollen Teil der Dauerausstellung im Museum Friedland werden. Fünf Millionen Euro hat die Landesregierung für das Projekt in den Haushalt eingestellt.

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