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Kevin Rudd (l.) war den Tränen nah, nachdem er abgetreten war. Julia Gillard wollte dem "Absturz" nicht mehr zusehen, sagte die neue Premierministerin.

© dpa

Australien: Julia Gillard: Die Putschistin

Julia Gillard ist Regierungschefin in Australien – nach einer parteiinternen Revolte gegen Kevin Rudd.

Eine parteiinterne Revolte gegen Premierminister Kevin Rudd hat zum ersten Mal eine Frau an die Spitze von Australiens Regierung gebracht: Vizepremierministerin Julia Gillard übernahm am Donnerstag die Führung der regierenden Labor Party und wurde damit automatisch Regierungschefin. Rudd war zuvor zurückgetreten, nachdem ihm klar geworden war, dass er eine kurzfristig einberufene Kampfabstimmung verlieren würde.

„Ich habe meine Kollegen darum gebeten, die (Partei-)Führung auszuwechseln“, sagte Gillard bei ihrer Antrittsrede. Sie sei überzeugt, „eine gute Regierung“ sei „vom Weg abgekommen“. Da habe sie nicht „tatenlos zusehen“ wollen, gab Gillard zu Protokoll. Zugleich sprach sie sich für vorgezogene Neuwahlen aus: „Ich bin nicht vom australischen Volk zur Premierministerin gewählt worden.“ Daher sollten die Australier bald von ihrem „Geburtsrecht“ Gebrauch machen und ihren Premier möglichst schnell selbst wählen.

Einige Kommentatoren verglichen am Donnerstag den überraschenden Wechsel an der Spitze der Labor Party mit einem „parteiinternen Staatsstreich“. In den vergangenen Wochen hatte Gillard mehrfach bestritten, dass sie den Parteivorsitz und das Amt des Premiers anstrebe und stets ihre Loyalität gegenüber Rudd betont.

Entsprechend getroffen wirkte der geschasste Premier, als er am Morgen in Canberra mit seiner Familie vor die Kameras trat. „Ich habe absolut alles gegeben und ich bin stolz darauf, was wir erreicht haben, um dieses Land gerechter zu machen“, sagte Rudd und kämpfte dabei sichtlich mit den Tränen. „Ich bin stolz darauf, dass wir Australien aus der weltweiten Finanzkrise herausgehalten haben.“ Rudd hatte eigentlich geplant, am Donnerstag zum G-20-Gipfel nach Toronto zu reisen. Der intellektuelle Rudd, der international ziemlich gut angekommen war, war vor seinem Wahlsieg 2007 fremd in der Labor Party, bei der die ledige Gillard, die aus kleinen Verhältnissen stammt, deutlich besser ankommt.

Bereits seit Monaten hat es in der Regierungspartei gebrodelt. Rudds Popularität war in kürzester Zeit von einem Allzeithoch drastisch abgestürzt. Vor allem eine zunehmend aggressiv ausgetragene Auseinandersetzung mit der mächtigen Bergbauindustrie hat die Regierung entscheidend geschwächt. Rudd hatte geplant, eine Sondersteuer in Höhe von 40 Prozent auf Gewinne aus dem Bergbau einzuführen und die Australier so stärker an den Erlösen aus dem Rohstoffabbau zu beteiligen. Australien ist einer der größten Exporteure von Steinkohle, von Uran und einer Vielzahl von Metallrohstoffen.

Doch die Branche, unter ihnen riesige multinationale Konzerne wie Vedanta und Rio Tinto, wehrte sich gegen den Vorstoß: Sie startete eine millionenschwere PR-Kampagne gegen die Pläne der Regierung. Diese feuerte mit eigenen Werbespots zurück. Der Ton nahm an Schärfe zu. Wähler in Bundesstaaten wie Queensland, die stark vom Bergbau abhängen, wurden angesichts möglicher Entlassungen zunehmend unruhig. Abgeordnete aus diesen Bundesstaaten sahen ihre Wiederwahl gefährdet.

Daher kündigte Gillard bereits bei ihrer Antrittsrede ihr Entgegenkommen an. Sie bat die Bergbaukonzerne darum, als ein Zeichen des guten Willens eine seit Wochen laufende PR-Kampagne gegen die Regierung einzustellen und stellte dafür weitere Verhandlungen über die geplante Steuer in Aussicht.

Doch auch in festgefahrene Umweltfragen soll nun wieder Bewegung kommen. Rudd hatte bei seinem Wahlkampf 2007 ein Ende der Isolation Australiens in Klimafragen angekündigt. Er hielt zunächst Wort: Als erste Amtshandlung nach seiner Vereidigung zum Premier ließ er das Kyoto-Abkommen ratifizieren. Außerdem berief er mit Peggy Wong eine der ersten Klimaministerinnen der Welt. Doch die Pläne zur Einführung eines verbindlichen Handels mit Kohlendioxidzertifikaten ähnlich wie im europäischen Emissionshandel verschwanden wegen des anhaltenden Widerstands des Senats in Australien rasch wieder in der Schublade. Gillard deutete nun weitere Schritte auch in dieser Frage an: „Ich glaube, dass Menschen zum Klimawandel beitragen. Es ist für mich und für Millionen Australier enttäuschend, dass wir keinen Preis für Kohlendioxid haben.“ Doch zunächst solle darüber durch Wahlen ein Konsens geschaffen werden.

Analysten gehen davon aus, dass die Labor Party nun bei den kommenden Wahlen, die schon im Oktober abgehalten werden könnten, gut abschneiden dürfte. Denn Gillard gilt als humorvoll, telegen und als hervorragende Rednerin. Vor allem bei Arbeitern und Wählern aus der unteren Mittelschicht ist die 49-jährige Anwältin, die in Wales in Großbritannien auf die Welt gekommen ist, sehr beliebt. Und tatsächlich deuten erste Umfragen darauf hin, dass sich die Labor Party bereits wieder im Aufwind befindet.

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