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Politik: Auswirkungen der Kabinettsumbildung: Partnertausch

"Ich bin ja nicht kurzsichtig." Natürlich hat Claudia Roth, die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, gemerkt, dass der heimliche Grünen-Chef Joschka Fischer sie in der Parteiratssitzung auffordernd anschaute.

Von Matthias Meisner

"Ich bin ja nicht kurzsichtig." Natürlich hat Claudia Roth, die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, gemerkt, dass der heimliche Grünen-Chef Joschka Fischer sie in der Parteiratssitzung auffordernd anschaute. Auch andere im Saal bemerkten die Anspielung des Außenministers - und interpretierten sie so, dass Fischer sich Roth als Nachfolgerin von Renate Künast in der Parteispitze wohl vorstellen kann. Oder war nur "alles Alberei", wie eine andere Teilnehmerin der Sitzung vermutete?

Ernst ist: Die Grünen brauchen schnell eine neue Parteichefin, um das Duo mit Fritz Kuhn wieder zu komplettieren. Schon auf dem Bundesparteitag vom 9. bis 11. März in Stuttgart soll sie gewählt werden. Und damit es keine Missverständnisse gibt, stellte Kuhn in der Parteiratssitzung und später auch vor Journalisten klar, "dass wir die Doppelspitze in der Partei nicht abschaffen werden". Persönlich werde er dafür stehen, dass nachgewählt wird. Nur: Eine alle Parteiflügel überzeugende Kandidatin fehlt noch. "Es wird schwer sein, die ideale Nachfolgelösung zu finden", sagt ein Bundestagsabgeordneter. "Jede wird der Gefahr unterliegen, sich neben Kuhn als zweite Wahl vorzukommen."

Claudia Roth, frühere Managerin der Rockband "Ton-Steine-Scherben", gilt als quirlig genug für den Posten. Führungsaufgabe werden der früheren Europapolitikerin durchaus zugetraut, auch als mögliche Nachfolgerin von Kerstin Müller an der Spitze der Bundestagsfraktion war sie schon im Gespräch. Doch Roth ziert sich: "Es ist doch schön, wenn Fischer mich anguckt. Aber ich bin im Moment sehr erfüllt von meiner Aufgabe im Bundestag." Aber wer soll es sonst machen? Eine hektische Suche hat begonnen. Noch ist die Partei völlig überrascht von Andrea Fischers Rücktritt und der in der Nacht ausgehandelten Nachfolge. Erfahrung ist für eine neue Kandidatin von Nöten und ein gewisses Profil.

Soll vielleicht die zurückgetretene Bundesgesundheitsministerin Parteivorsitzende werden? "Das ist kein dummer Gedanke", sagt ein Vorstandsmitglied. Und auch Joschka Fischer lässt sich interpretieren: Andrea Fischers Rücktritt wertet er als "hoch respektablen Schritt, der ihr die politische Zukunft in meiner Partei nicht verbauen wird". Das Problem: Abgeordnete müssen mit Amtsantritt ihr Parlamentsmandat aufgeben, so sehen es die grünen Regeln vor - und das Vorsitzendengehalt bedeutet im Vergleich zu den Diäten eines Bundestagsabgeordneten eine erhebliche Einbuße. "Für einen Namen diese Regeln ändern, das wird nicht gehen", heißt es aus der Bundestagsfraktion.

Wie es weitergeht? Noch am Mittwochnachmittag berieten die Landesvorsitzenden in einer Telefonkonferenz, und sicher war auch, dass die Personalfragen jetzt die Bundestagsabgeordneten beschäftigen werden, die am Donnerstag und Freitag zu ihrer traditionellen Klausur in Wörlitz zusammenkommen. Die Personalauswahl ist eng: Als Außenseiterkandidaten für den Vorstand gelten Undine Kurth aus Sachsen-Anhalt und Ex-Bundessprecherin Antje Radcke aus Hamburg. Auch Heide Rühle wird genannt, bis 1998 Bundesgeschäftsführerin und jetzt im Europaparlament.

Doch gegen jede denkbare Bewerberin gibt es auch Vorbehalte. Rühle etwa kann nicht mit ihrem Nachfolger Reinhard Bütikofer. "Dann fliegt die Parteizentrale auseinander", sagt jemand. In jedem Fall stehen die Grünen vor der Gefahr, dass die bis dato fein austarierte Parteiführung mit der anstehenden Neubesetzung wieder in Turbulenzen gerät. Und das knapp zwei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl.

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