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Erklärungsbedarf. Aygül Özkan im Gespräch mit Journalisten an ihrer neuen Wirkungsstätte in Hannover. Foto: ddp

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Aygül Özkan: Das Kreuz mit der Ministerin

Christian Wulffs Geheimwaffe, Sozialministerin Aygül Özkan provoziert: Sie spricht sich gegen Kreuze in Schulen aus und fordert "ergebnisoffene" Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei.

Berlin - Frischen Wind wollte Christian Wulff für seine etwas matte Landesregierung, doch so viel Wirbel wird er sich kaum gewünscht haben. Die ihn ausgelöst hat, vermutlich auch nicht: Aygül Özkan, Wulffs künftige Sozialministerin und die erste türkischstämmige Ministerin in Deutschland überhaupt, hat sich kurz vor ihrer Ernennung gleich mit zwei Themen erheblichen Ärger geschaffen. Beide sind fürs christdemokratische Milieu besonders heikel. Sie sprach sich gegen Kreuze in Schulen aus und forderte „ergebnisoffene“ Verhandlungen der EU über einen Beitritt der Türkei.

Seit Özkans Interview-Äußerungen im Münchner Magazin „Focus“ am Samstag bekannt wurden, hagelte es Vorwürfe, den heftigsten aus der CSU: „So abwegig wie erschreckend“ sei das alles, erklärte der Integrationsbeauftragte der Unionsfraktion, Stefan Müller (CSU). „Politiker, die Kreuze aus Schulen verbannen wollen, sollten sich überlegen, ob sie in einer christlichen Partei an der richtigen Stelle sind.“

Auch Özkans Äußerungen über einen EU-Beitritt fanden bei Müller, der auch Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestags-CSU ist, keine Gnade: „Auch nach noch so langen Verhandlungen wird die Türkei nie zu einem europäischen Staat.“ Bevor Wulff Özkan nach Niedersachsen rief, war die 38-jährige Juristin und Managerin, die für die Telekom gearbeitet hat, im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft türkischer Unternehmer. Vereinigungen türkischstämmiger Selbstständiger in Deutschland setzen sich in der Regel für die EU-Mitgliedschaft ein. Gespräche über einen Beitritt führen Brüssel und Ankara bereits seit Jahrzehnten.

Das Thema Kreuz, das Özkan angeschnitten hatte, wurde denn auch rasch von den Spitzen der eigenen Partei im offiziellen Sinne geradegerückt. Özkan hatte erklärt, aus ihrer Sicht sollten Schulen „ein neutraler Ort“ sein, Kinder sollten sich selbst religiös entscheiden können. Deshalb hätten auch Kopftücher in Klassenzimmern nichts zu suchen. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe wies die Forderung entschieden zurück: „Ich schätze Frau Özkan sehr, bin aber hier eindeutig anderer Meinung“, sagte Gröhe der „Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung“ . Das Kreuz stehe auch für „die prägende Kraft des Christentums in unserer Kultur“ und müsse daher auch in staatlichen Schulen, „selbstverständlich seinen Platz haben“. Özkans Ministerpräsident wies ergänzend darauf hin, dass auch Kopftücher in Niedersachsen toleriert würden – auf den Köpfen von Schülerinnen. Lehrerinnen sind sie verboten.

Wulf Schönbohm, im Thinktank von CDU-Generalsekretär Heiner Geißler lange einer der Vordenker einer modernen CDU und bis 2007 Chef der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ankara, wünscht sich mehr Ruhe in der Debatte. Er selbst sei gegen Kreuzverbote per Gesetz oder Gericht, sagte er dem Tagesspiegel. Aber auch dies sei „zunächst eine Sachfrage“. Das harte Nein seiner Partei zu einem EU-Mitglied Türkei hält er allerdings seit langem für „absolut lächerlich“. Die Türkei sei in zehn Jahren AKP-Regierung ein völlig anderes Land geworden, aber die Union wolle dies nicht zur Kenntnis nehmen. „Das ist dieselbe Haltung wie ,Wir sind kein Einwanderungsland‘. Und ich nehme an, sie wird sich beim Thema Türkei ähnlich erledigen.“ Die Union müsse jetzt endlich Türkischstämmige in die Landtage und den Bundestag schicken. „Die könnten zum großen Teil unsere Wähler sein und wir verprellen sie durch unsere Vorbehalte und die Ablehnung des EU-Beitritts.“ Die Parteiführung müsse sich da engagieren: „All diese grässlichen Vorurteile würden abgebaut, wenn das einfache Parteimitglied die Leute mal aus nächster Nähe erleben würde.“ mit ddp/AFP

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