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Stefan Mappus und Thomas Strobl.

© dpa

Baden-Württemberg: CDU im Formtief

Die zerrüttete baden-württembergische CDU will einen Weg aus ihrer Krise finden – doch das Erbe, das der frühere Parteichef und Ministerpräsident Stefan Mappus hinterließ, macht das nicht einfach.

Eigentlich hatte sich die baden-württembergische CDU, die 2011 nach fast sechs Jahrzehnten Dauerregierung abgewählt worden war, nur auf eine kurze Oppositionszeit eingerichtet. Doch der traditionell stärkste Landesverband der CDU ist in eine Krise geraten, die länger dauern könnte. Erst brachen alte Narben wieder auf, die sich die Partei im Kampf um die Nachfolge Erwin Teufels im Jahr 2005 zugefügt hatte, und dann begriff man, wie schwer es werden würde, die neue grün-rote Regierung zu entzaubern. Ministerpräsident Winfried Kretschmann spielt die präsidiale Rolle des Landesvaters so formatfüllend wie keiner seiner Vorgänger und hält im Landtag mittlerweile jene staubtrockenen, zahlenhuberischen Reden, die einst Teufel den Ruf der Solidität eintrugen.

Zuletzt kamen die unappetitlichen Details des verfassungswidrigen Rückkaufs des früher landeseigenen Stromversorgers EnBW vom französischen Energieriesen EdF heraus. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Untreue gegen Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus, dessen Bankerfreund Dirk Notheis und zwei Minister der alten CDU/FDP-Regierung. Parallel läuft ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, in dem häufig die CDU ihren eigenen Leuten die kritischsten Fragen stellt. Die Aufarbeitung der kurzen Ära Mappus ist in der Union in vollem Gang, ein Ende ist nicht absehbar.

Eine breite Basis mit mehr als 70 000 Mitgliedern in 1500 Orts- und Kreisverbänden, dazu mit 39 Prozent Zustimmung bei der letzten Landtagswahl immer noch klar stärkste Partei: Die Papierform der Union ist so schlecht nicht. Aber der Streit um Mappus’ Hinterlassenschaften überdeckt alles. „Wir beschäftigen uns mit nichts anderem mehr“, klagt Fraktionsvize Volker Schebesta. Die einst stolze Volkspartei ist verunsichert und streitet über die Vergangenheitsbewältigung. Die Furcht wächst, dass dieses regionale Formtief, je länger es anhält, im kommenden Jahr auch Berlin mitreißt.

Fraktionschef Peter Hauk ist dennoch für eine offene Debatte. Ein Freund von Mappus war er nie, dessen ellenbogenhaften Regierungsstil bezeichnet er heute als autokratisch. Parteichef Thomas Strobl war als Generalsekretär unter Mappus dichter dran, aber auch er hat sich abgesetzt: Die Union sei Mappus zu lange zu unkritisch gefolgt, „das gilt auch für mich“. Vize-Parteichef Winfried Mack, auch er ließ sich im Wahlkampf einst gerne mit Mappus ablichten, nennt seinen Führungsstil heute „elitär“. Sogar Tanja Gönner, ein Ziehkind Erwin Teufels, das ganz eng an Mappus war, hat sich vor ihrem Rückzug aus der Politik noch flugs distanziert. Bissig verweist der konservative Abgeordnete Karl Zimmermann deshalb auf „Matthäus 26, Vers 20: In dieser Nacht, noch ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“ Annette Schavan, selbst Teil des Mappus-Lagers, mahnt denn auch zur Geschlossenheit. Das war ja der Fehler, kontert Hauk, von der unkritischen Geschlossenheit hinter Mappus gab es eher zu lange zu viel. In der Tat war die Partei einst dankbar, nach dem Zauderer Günter Oettinger von einem Tatmenschen wie Mappus geführt zu werden.

Im vergangenen Sommer schon wurde die Debatte über die künftige inhaltliche Identität angestoßen, an diesem Wochenende diskutiert die Union die Ergebnisse aus Befragungen und Analysen. Die Parteitagsregie hat zwischen die Reden von Parteichef Strobl („Die CDU auf dem Weg der Erneuerung“) und Vize Mack („Moderne Bürgerpartei auf sicherem Fundament“) ein Grußwort von Bundestagsfraktionschef Volker Kauder („zusammenstehen und nach vorne schauen“) geschoben. Neben Kauder soll auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble reden. Bei den Erneuerern herrscht deshalb die Furcht, seine Rede zu Europa diene nur der Beschwichtigung und verfolge die Absicht, nicht abgeschlossene Konflikte zu übertünchen. Hauk warnt, man dürfe Harmonie nicht verordnen, für Strobl ist schon vor dem Parteitag klar: „Das ist nur ein Zwischenschritt bei der Neuaufstellung.“

Ein bisschen verändert hat sich die Union ja schon. Im Landtag kritisiert sie Kretschmann, er beteilige die Bürger zu wenig, und die Vizevorsitzende und Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Annette Widmann-Mauz, verkämpft sich für eine hälftige Frauenquote, wie es die Grünen nicht besser könnten. Noch kontert Fraktionsvize Friedlinde Gurr-Hirsch: „Wir brauchen keine neue Quote, wir brauchen neues Denken.“ Doch das zeigt die Basis bereits: Die Mitglieder haben dem Landesverband mal eben die als Wahlkampfrücklage gedachte Versiebenfachung der Beiträge verweigert.

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