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Grün-rotes Doppel: Winfried Kretschmann (vorn) und Nils Schmid.

© Jörg Carstensen/dpa

Baden-Württemberg und der Finanzausgleich: Winfried Kretschmann schlägt Kompromissmodell vor

Haben der Stuttgarter Ministerpräsident und sein Finanzminister Nils Schmid die Lösung im Bund-Länder-Finanzstreit gefunden? Ihr Modell ähnelt immerhin den neuen Plänen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.

Baden-Württemberg will mit einem neuen Vorstoß zur Reform der Bund-Länder-Finanzen Bewegung in die stockenden Gespräche über einen neuen Finanzausgleich bringen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Finanzminister Nils Schmid (SPD) stellten am Donnerstag in Berlin ein Modell vor, dessen Grundzüge auch mit anderen Ländern abgestimmt wurde – und das eine deutliche Schnittmenge aufweist mit Überlegungen, die zuletzt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) angestellt hat. Die Verhandlungen sind zu einem Stillstand gekommen, seit die Spitzen der Union beschlossen haben, die nicht zuletzt von Schäuble geplante Integration des Solidaritätszuschlags in die Einkommensteuer nicht mitzumachen und ihn statt dessen ab 2020 langsam abzubauen. Die Länder hätten durch die Integration Mehreinnahmen gehabt – eine Manövriermasse, die wiederum eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs erleichtern sollte. Nach dem Scheitern dieses Modells im Februar wird nach einem neuen Ansatz gesucht.

Umschichtung auf die Länder

Der Kretschmann-Schmid-Vorschlag sieht nun zwar weiterhin die Integration als Vorranglösung vor, doch weiß  man auch in Stuttgart, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel nur noch schwer von ihrem Nein wird abbringen lassen. Daher sieht das Stuttgarter Modell ersatzweise vor, dass den Ländern im entsprechenden Umfang ein höherer Anteil an der Umsatzsteuer übertragen wird. „Wer den Soli abschmelzen will, muss sicherstellen, dass auf anderem Wege ausreichend Mittel auf die Länder umgeschichtet werden können“, sagte Kretschmann. Zudem hält Grün-Rot im Südwesten daran fest, dass im Zuge der Reform auch eine leichte Entlastung der Steuerzahler erfolgt – entweder durch den Abbau der kalten Progression oder durch eine stärkere Unterstützung von Familien. Das Saarland und Bremen sollen, das ist weithin unstrittig, eine jährliche Zinshilfe in Höhe von 417 Millionen Euro erhalten, um ihre überschuldeten Haushalten sanieren zu können, wobei sich Bund und Länder diese Unterstützung teilen sollen. Einer Forderung von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) kommen Kretschmann und Schmid entgegen, indem sie bei der Umsatzsteuerverteilung zwischen den Ländern einen neuen Ausgleichsmodus vorschlagen: Statt bislang 13 Prozent des Volumens nach der Finanzkraft zu verteilen (und nicht, wie beim Rest, nach Einwohnern), sollen es künftig nur noch 7,5 Prozent sein. Das hilft NRW, das in dieser Finanzausgleichsstufe erheblich abgeben muss, und den Zahlerländern, bedeutet aber einen Nachteil für die Ost-Länder. Diese sollen eine Extra-Hilfe in Höhe von zwei Milliarden Euro jährlich bekommen, ebenfalls hälftig von Bund und Ländern getragen. Die Geberländer (Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Hamburg) sollen entlastet werden, indem die Belastungsobergrenze etwas gesenkt wird.

Mehr Transparenz

Zudem setzt das Stuttgarter Modell bei den Bund-Länder-Mischfinanzierungen an. Dem Vorschlag zufolge soll die Eingliederungshilfe für Behinderte künftig ganz vom Bund finanziert werden, während die Länder die Kosten der Unterkunft für Sozialhilfeempfänger und Langzeitarbeitslose übernehmen würden. Und während der Bund dann allein für das Wohngeld zuständig wäre, würde den Ländern die gesamte Wohnbauförderung übertragen. Zudem sollen die so genannten Entflechtungsmittel, die der Bund bisher den Ländern zweckgebunden unter anderem zur Verkehrsfinanzierung überwiesen hat, durch eine weitere Übertragung von Umsatzsteuerpunkten an die Länder abgelöst werden. Kretschmann verspricht sich davon mehr Transparenz im Bund-Länder-Verhältnis. In Zahlen ausgedrückt bedeuten die Pläne von Kretschmann und Schmid eine Mehrbelastung des Bundes in Höhe von 10,7 Milliarden Euro, während die Länder durch die Bank mit insgesamt 8,2 Milliarden Euro profitieren würden. Berlin hätte ein Plus von 412 Millionen Euro im Jahr. Kretschmann bezeichnete den Vorschlag als „Gesamtkunstwerk“, bei dem alle Beteiligten Abstriche machen müssten. Jedoch werde kein Land schlechter gestellt als zuvor. Während sich die grüne Finanzministerin von Schleswig-Holstein, Monika Heinold, grundsätzlich zustimmend äußerte, lehnt die Bremer Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) das Stuttgarter Modell ab, weil es den finanzschwachen Ländern zu wenig helfe.

Schäubles Überlegungen

Schäubles neuer Ansatz, den er in der vorigen Woche unter anderem in der Finanzministerkonferenz skizziert hat, sieht von den Komponenten her recht ähnlich aus. Auch er will mehr Umsatzsteuerpunkte an die Länder übertragen und verbindet dies mit einer Fortsetzung der Entflechtungsmittel nach 2019. Die Ost-Länder hätten weiterhin eine Sonderfinanzierung, auch die Zinshilfen für das Saarland und Bremen sind vorgesehen. Den Umsatzsteuerausgleich unter den Ländern will Schäuble jedoch ganz abschaffen, was die Zahlerländer und NRW begünstigen würde. Im Gegenzug möchte er jedoch, dass die Finanzkraft der Kommunen im Länderfinanzausgleich voll angerechnet wird und nicht nur zu 64 Prozent wie bisher. Das freilich lehnen Kretschmann und Schmid ab.

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