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Bagdad: Rund 100 Iraker entführt

In einer spektakulären Aktion haben bewaffnete Männer in Polizeiuniform fast hundert Menschen aus dem irakischen Bildungsministerium in Bagdad entführt. Dabei handelte es sich nach Angaben des Bildungsministers um "Mitarbeiter und Besucher".

Bagdad/London - Fünf ranghohe Polizisten wurden daraufhin festgenommen. Die Entführer waren in mindestens 20 Autos vor der Forschungsabteilung des Bildungsministeriums vorgefahren. In Bagdad wurden nach der Entführung alle Vorlesungen abgesagt. Der britische Premierminister Tony Blair, der am Montag einen Kurswechsel im Irak gefordert hatte, sollte sich am Nachmittag den Fragen einer US-Expertenkommission stellen.

Drei der Entführten wurden am Nachmittag wieder freigelassen. Ein Arzt sagte, die Männer hätten unter Schock gestanden, seien ansonsten aber unverletzt gewesen. Das Ministeriumsgebäude befindet sich in dem überwiegend von Schiiten bewohnten Mittelschichts-Viertel Karrada. Im Irak kommen immer wieder professionell organisierte Massenentführungen durch als Polizisten verkleidete Gruppen vor. Sunniten prangern seit langem an, diese Taten gingen auf schiitische Todesschwadrone zurück, die sich im Schatten des von Schiiten kontrollierten Innenministeriums bewegten. Bildungsminister Abed Diab al Udschaili ist Mitglied der sunnitischen Eintrachtsfront.

Blair sollte sich über Kurs der Irakpolitik äußern

In London sollte sich Premierminister Blair per Videoübertragung den Fragen der so genannten Baker-Kommission über den künftigen Kurs im Irak stellen. Am Vorabend hatte der wichtigste Verbündete von US-Präsident George W. Bush bei einer außenpolitischen Grundsatzrede einen Strategiewechsel im Irak gefordert. Die Irak-Krise lasse sich nicht isoliert lösen, sondern nur innerhalb einer Gesamtstrategie, die alle Konflikte im Nahen Osten umfasse. Dabei spielte er besonders auf Iran und Syrien an.

Besonders müsse auf Iran Druck ausgeübt werden, sagte Blair. Anders als im Vorhinein angekündigt forderte Blair in seiner Rede allerdings nicht ausdrücklich eine größere Einbindung von Syrien und Iran in die Bemühungen um eine Lösung der Irak-Krise. Iran bot Blair eine "strategische Wahl" an: entweder dem Westen zu helfen oder sich mit einer wachsenden Isolation abzufinden.

Bush lehnt Dialog mit Iran und Syrien ab

Am Montag hatte sich bereits US-Präsident Bush mit der so genannten Baker-Kommission getroffen. Hoffnungen auf einen schnellen Kurswechsel enttäuschte Bush dabei. Einen verstärkten Dialog mit Iran und Syrien lehnte er ab. Zuvor müsse Iran sein Atomprogramm aufgeben, zudem solle Syrien seinen Einfluss auf den Libanon beenden und dürfe keine Extremisten mehr unterstützen, erklärte der US-Präsident. Er betonte, ein Rückzug der US-Truppen hänge von der Lage im Irak ab.

Die Baker-Kommission war im März vom US-Kongress eingesetzt worden. An ihrer Spitze stehen der frühere Außenminister James Baker und der ehemalige demokratische Abgeordnete Lee Hamilton. Das Gremium soll Empfehlungen zum Fortgang des Irak-Einsatzes erarbeiten, der durch einen Anstieg der Gewalt immer mehr in Frage gestellt wird. Bei einem Autobombenanschlag auf den wichtigsten Bagdader Markt starben zehn Menschen, 25 wurden verletzt. Bei einem Einsatz der US-Armee in Bagdad wurden mindestens sechs Zivilisten getötet. US-Soldaten lieferten sich dort Gefechte mit Milizen des radikalen Schiitenführers Moktada Sadr. (tso/AFP)

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