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Bahn-Privatisierung: Ziemlich verfahren

Die Privatisierung der Bahn muss bis Ende April beschlossen werden – doch die Koalition ist zerstritten.

Berlin - Die Privatisierung der Deutschen Bahn steht wegen eines Streits in der Koalition auf der Kippe. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnte am Samstag die Idee von SPD-Chef Kurt Beck ab, mit der er seine eigene Partei noch von dem Projekt überzeugen will. Unions-Fraktionschef Volker Kauder und der CSU-Vorsitzende Erwin Huber hatten bereits schwere Bedenken angemeldet. Am 28. April will der Koalitionsausschuss über das Thema beraten – eine Einigung ist aber in weite Ferne gerückt.

Beck hatte vorgeschlagen, die Nahverkehrssparte DB Regio von der Privatisierung auszunehmen und nur den Fern- und den Güterverkehr zu verkaufen. „Eine Trennung zwischen Infrastruktur und Verkehr halte ich für sinnvoll. Eine unterschiedliche Behandlung von Nah- und Fernverkehr dagegen nicht“, sagte Merkel der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Mit ihr werde es „nur eine wirtschaftlich vernünftige Lösung für die Teilprivatisierung der Bahn geben“. Gelinge dies nicht, gerate der Wachstumskurs der Bahn in Gefahr. „Eine Trennung der einzelnen Verkehrsteile wird es mit der Union nicht geben“, hatte auch Fraktionschef Kauder gesagt. Die Privatisierung gilt als wichtigstes wirtschaftspolitisches Vorhaben in dieser Wahlperiode.

Die SPD ist darüber zerstritten. Nach einem Plan von Finanzminister Peer Steinbrück sollen Bahnhöfe und Gleise weiter in Staatshand bleiben und die Sparten Personen- und Güterverkehr in einer Holding gebündelt werden. Daran könnten sich dann Private zu einem Minderheitsanteil beteiligen. Die Parteilinke ist dagegen, weil sie fürchtet, dass Personenzüge unter dem Renditedruck von Investoren aufgegeben werden könnten. Eine Arbeitsgruppe der Partei wird am Montag letztmals einen Kompromiss dazu suchen.

Trotz der Bedenken der Union will Beck sein Modell nach Informationen des Tagesspiegels am Sonntag in der Partei unbedingt durchsetzen. An diesem Sonntagabend wird er seine Vorstellungen in Berlin mit den Länder- und Bezirksvorsitzenden der SPD besprechen. „Man kann einen Kompromiss nicht nur danach ausrichten, dass die Union damit zufrieden ist“, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person aus seinem Umfeld. Es gelte vor allem einen Sonderparteitag zu dem Thema zu vermeiden. Dies drohen die SPD-Linken für den Fall an, dass das Holding-Modell Steinbrücks umgesetzt wird.

Zwar würde die Herauslösung der Regio-Sparte beim Teilverkauf des Konzerns Mindereinnahmen von 2,5 Milliarden Euro bringen, heißt es im Lager Becks weiter. Allerdings verblieben zugleich die erheblichen Gewinne von DB Regio komplett beim Konzern und müssten nicht mit Privaten geteilt werden. „Wenn man Regio nicht verkauft, dann aus politischen Gründen – vernünftig ist das nicht“, kritisierte ein SPD-Fachpolitiker. Setzt Beck sein Programm durch, würde er sich erneut über die Meinung seiner Stellvertreter Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier hinwegsetzen – wie bereits bei der Verlängerung des Arbeitslosengeldes und beim Verhältnis zur Linkspartei. Beide hatten auf der letzten Sitzung der Arbeitsgruppe massiv gegen Becks Plan protestiert. Die Kritiker fürchten, dass Synergien zwischen Nah- und Fernzügen verloren gingen, wenn DB Regio vollständig beim Staat bliebe. Außerdem gilt der Nahverkehr als wichtigster Teil der Börsenstory der Bahn, da er ihr zweitstärkste Gewinnbringer ist. Das ganze Vorhaben könnte überdies gekippt werden, weil die Bahn-Gewerkschaften Transnet und GDBA gegen eine Herauslösung der Regio-Sparte sind. Sie sehen dies als Beginn der Zerschlagung der Bahn. „Es wäre sinnvoll, das bisher diskutierte Holding-Modell umzusetzen, wenn es überhaupt Strukturentscheidungen geben soll“, sagte der Transnet-Vorsitzende Norbert Hansen dem Tagesspiegel am Sonntag.

Den SPD-Linken geht Becks Idee nicht weit genug. Sie sorgen sich darum, dass der renditeschwache Fernverkehr nach einem Börsengang ausgedünnt werden könnte. Eine Studie der Unternehmensberatung KCW warnt vor einem solchen Szenario; mittelgroße Städte wie Brandenburg an der Havel könnten von ICE- und IC-Verbindungen abgekoppelt werden. Ohnehin drängt die Zeit – die Bahn strebt eine Notierung an der Börse im Oktober an und braucht Zeit für die Vorbereitungen. Wenn es keine endgültige Entscheidung bis Ende April gibt, wird es vor der Bundestagswahl 2009 keine Möglichkeit zur Privatisierung mehr geben.

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