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Balkan: Troika ringt weiter um die Zukunft des Kosovo

Die Verhandlungen um die Zukunft des Kosovo sind ohne Ergebnis vertagt worden. Zahlreiche Interessenskonflikte stehen einer Einigung im Wege und kaum jemand glaubt noch an ein Ergebnis bis zum anvisierten Termin am 10. Dezember.

Wieder gab es ein Treffen und wieder kein Ergebnis: Auch die jüngste Runde der Gespräche um die Zukunft des Kosovo unter Führung der Troika aus EU, USA und Russland wurde vertagt. Nun soll das nächste Treffen am 20. November in Brüssel den Durchbruch bringen - allerdings besteht kaum noch Hoffnung, dass es wie ursprünglich geplant bis zum 10. Dezember noch eine Einigung geben wird.

Das Tauziehen um die seit dem Ende des Kosovo-Krieges unter UN-Verwaltung stehende Provinz erweist sich als gordischer Knoten: Dem Angebot aus Belgrad, dem völkerrechtlich weiter zu Serbien gehörenden Kosovo alles außer der Unabhängigkeit zu gewähren, steht die Forderung aus Pristina entgegen, nichts weniger als eben diese akzeptieren zu wollen.

Nationalismus als treibende Kraft

Nüchtern gesehen ist das am Boden liegende Kosovo für das aufstrebende Serbien nur ein Klotz am Bein; und eigentlich könnten die Kosovaren von der zunehmenden wirtschaftlichen Zugkraft aus Belgrad profitieren. Doch der Nationalismus sei auf dem Balkan eben noch immer eine treibende Kraft, sagt der gebürtige Serbe Dusan Reljic von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Die Albaner im Kosovo wollten einen zweiten albanischen Staat errichten, der sich später dann mit Albanien zu einem Groß-Albanien vereinen könnte. Für die meisten Serben gelte hingegen das Kosovo mit seinen orthodoxen Klöstern als Keimzelle ihrer Identität.

So scheint es, als bräuchte es eine Kraft von außen, die den Knoten durchtrennen könnte. Doch auch international werden Strippen gezogen, die Konfliktparteien massiv von Russland und den USA unterstützt: Moskau will nur eine für Belgrad akzeptable Lösung hinnehmen, Washington hat mit Vorstößen, auch eine einseitig ausgerufene Unabhängigkeit anzuerkennen, immer wieder Öl ins Feuer gegossen.

Machtprobe zwischen Moskau und Washington

Der Konflikt ist zum Spielball globaler Interessen geworden. Im Kosovo gehe es nicht zuletzt um eine Machtprobe zwischen Washington und Moskau, sagt Reljic und verweist darauf, dass auf dem westlichen Balkan eine "Pax Americana" herrsche - denn alle Friedensschlüsse nach dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawien wurden maßgeblich von den USA bestimmt. Russland hat nun die Möglichkeit, als UN-Vetomacht in der Nähe der eigenen Einflusssphäre den USA gehörig in die Quere zu kommen - und sich damit etwa für die US-Raketenschildpläne in Osteuropa zu revanchieren.

Doch das Kosovo sei eine "Peanut" im Vergleich zum "großen Kürbis Iran", sagt Reljic. Um von Moskau nicht bei seinen Plänen gegen Teheran gestört zu werden, könnte Washington nach seiner Einschätzung die Kosovo-Albaner dahingehend unter Druck setzen, anstelle der Unabhängigkeit doch nur eine wie auch immer geartete Autonomie zu akzeptieren.

Flächenbrand droht

Bei all dem wirkt die EU eher zurückhaltend. "Die EU hat auch keine Divisionen", sagt Reljic. Zudem sei es im europäischen Interesse, eine endgültige Lösung für das Kosovo hinauszuzögern - denn im Fall einer einseitig ausgerufenen Unabhängigkeit könnte auf dem Balkan ein Flächenbrand drohen. So brachte der EU-Vertreter in der Verhandlungs-Troika, der Deutsche Wolfgang Ischinger, eine Lösung nach dem Vorbild des deutsch-deutschen Grundlagenvertrags von 1972 ins Spiel, bei der problematische Fragen zunächst einfach ausgeklammert würden.

Der ehemalige Bildungschef der UN-Übergangsverwaltung im Kosovo (Unmik), Michael Daxner, warnt davor, die gleichen Fehler wie Anfang der 90er Jahre bei der Anerkennung Sloweniens und Kroatiens zu machen. Damals wurde Belgrad übergangen. "Aber die Friedenspolitik in der Region läuft über Belgrad", sagt Daxner. Zugleich müsse auch den Kosovaren die Chance gegeben werden, Europa mitzugestalten. Gelingt dies, sieht Daxner langfristig eine Perspektive: "Kosovo und Serbien werden zunächst zwei feindliche Nachbarn werden. Irgendwann wird das aber niemanden mehr interessieren - und dann wird es friedlich." (mit AFP)

Alexander Pajevic

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