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Befragung: Europa per Referendum

Nach der Ablehnung der Iren wird jetzt über Befragungen der Bürger in der gesamten Europäischen Union diskutiert.

Der Ausgang des Referendums zum Lissabon-Vertrag in Irland hat zu einer Debatte geführt, ob eine EU-weite Abstimmung über die grundlegenden Ziele der EU sinnvoll ist. Der Fraktionschef der Grünen im Europaparlament, Daniel Cohn-Bendit, sagte dem Tagesspiegel, es müsse einen „Neugründungsakt der Europäischen Union über ein europäisches Referendum“ geben. Zuvor hatte der Philosoph Jürgen Habermas in der „Süddeutschen Zeitung“ verlangt, die Europawahlen im Juni 2009 mit einem Referendum zu verbinden, bei dem die Bürger über dieselbe Fragestellung zu befinden hätten. „Mit Engagement und Glück könnte daraus eine Union der zwei Geschwindigkeiten hervorgehen, wenn sich die Länder, in denen das Referendum angenommen wird, zu einer engeren Kooperation auf Gebieten der Außen- und Sicherheits- sowie der Wirtschafts- und Sozialpolitik zusammenschließen“, schrieb Habermas.

Ähnlich äußerte sich Cohn-Bendit. Er schlug vor, die Ziele in einem zehn- bis 15-seitigen Text zusammenzufassen, die auch aus der 2005 bei Referenden in Frankreich und den Niederlanden abgelehnten EU-Verfassung hervorgehen. In einem solchen kurzen Text müssten der Zweck der EU – etwa bei der Gestaltung der Globalisierung, dem Klimaschutz, der Energiepolitik oder der Friedenserhaltung –, die Gemeinschaftsmethode sowie die institutionelle Funktionsweise der Union enthalten sein. Zudem müssten dort die demokratischen Werte der EU beschrieben werden, wie sie in der Grundrechtecharta niedergelegt sind. Der Text solle den Wählern EU-weit vorgelegt werden, forderte Cohn-Bendit. Damit ein solches Referendum Erfolg habe, sei eine Mehrheit unter den EU-Bürgern und den Staaten notwendig. Für die Staaten, in denen der Text abgelehnt worden sei, gebe es zwei Möglichkeiten, sagte Cohn-Bendit: „Entweder sie sagen: ,Wir sind nicht dabei’ oder sie erklären: ,Wir bleiben dabei, obwohl wir Nein gesagt haben’“.

Bei der SPD findet die Idee eines europäischen Referendums Anklang – allerdings mit Blick auf realpolitische Notwendigkeiten derzeit eher theoretisch. „Die Idee von Jürgen Habermas ist eine exzellente“, kommentierte Gert Weisskirchen, Außen- und Europapolitiker der SPD-Fraktion, „aber sie kommt zu spät.“ Der Vertragsprozess müsse vor den Wahlen im Juni 2009 beendet sein. Weisskirchen wies indes darauf hin, dass im Lissabon-Vertrag ein europäisches Referendum vorgesehen ist. Das Instrument unterstütze er. Auch der europapolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Axel Schäfer, nannte den Habermas-Vorschlag „vom ideellen Ansatz her richtig“. Er setze aber voraus, dass alle 27 Staaten das wollen – was das Ganze nicht gerade realistischer mache. „Perspektivisch“, das sieht auch Schäfer so, „muss es heißen: Wenn wir die Bürger zu einer stärkeren Identifizierung mit diesem Europa bringen wollen, dann muss ein europäisches Referendum möglich sein.“ Im Hinblick auf das irische Nein gehen seine Überlegungen allerdings in eine andere Richtung: Wenn alle anderen Länder den Ratifizierungsprozess beschritten, dann könne man im Dezember erneut bei den Iren anklopfen. Ein erneutes Referendum solle dann aber etwas modifiziert angelegt sein: Mit Protokollzusätzen als besondere Versicherungen an Irland und verknüpft mit einer grundsätzlichen Frage, die sinngemäß lauten könnte: „Ja zu einem Europa im 21. Jahrhundert oder Nein zur EU und Austritt?“ So etwas könne aber nur von der irischen Regierung kommen.

Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Eckart von Klaeden, erteilte der Idee vom europäischen Referendum eine klare Absage. „Habermas ist doch geradezu eine Anweisung, den Reformvertrag scheitern zu lassen“, monierte Klaeden, „dann soll er sagen, dass er dagegen ist“. Der Vertrag werde nach der Verfassung der einzelnen Länder ratifiziert, und das sei ausreichend. Dennoch hofft auch Klaeden darauf, dass Irland einen neuen Versuch unternimmt. Kerneuropa sei „zum jetzigen Zeitpunkt keine Lösung“.

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