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Politik: Begehrliche Blicke

Silvio Berlusconi zieht sich gern in eine seiner zahlreichen Villen zurück, wenn es Probleme gibt. Vor allem zieht es ihn nach Sardinien.

Silvio Berlusconi zieht sich gern in eine seiner zahlreichen Villen zurück, wenn es Probleme gibt. Vor allem zieht es ihn nach Sardinien. Dort besitzt er gleich mehrere Ferienresidenzen. Die größte heißt "La Certosa". Seit Sonntagabend befindet sich Italiens Ministerpräsident in "La Certosa". Direkt nachdem er "bis auf weiteres" den Posten des zurückgetretenen Außenministers Renato Ruggiero übernommen hat, flog er mit seinem Privatjet nach Sardinien. Von dort aus verfolgt er, verriet einer seiner Berater, die Kritik aus dem europäischen Ausland. Auch in Italien nimmt die Kritik kein Ende.

Dass die linke Opposition gegen Berlusconi wettert, wundert den Ministerpräsidenten nicht. Dass aber auch Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi ihn, den Regierungschef, direkt aufforderte, so schnell wie möglich einen neuen Außenminister zu nominieren, das wird Berlusconi stören. Hatte er doch noch am Sonntag im Außenministerium glücklich verkündet, dass "ich die nächsten Monate neue Ziele in der Außenpolitik vorgeben werde, als Minister natürlich".

Was ihn aber noch mehr stören wird, ist die Kritik aus den eigenen Reihen. Die mit der Forza Italia in der Regierungskoalition verbundenen rechten Christdemokraten finden es, so Rocco Buttiglione, "einen schlechten Scherz, ein so wichtiges Ministerium unbesetzt zu lassen". Schwerwiegend ist für Berlusconi vor allem die Kritik von Gianfranco Fini. Fini ist sein Stellvertreter und würde gern selbst Außenminister werden. Ein Amt, das dem Chef der Nationalen Allianz das Ansehen verschaffen könnte, das er dringend nötig hat, um die, so der ehemalige Staatspräsident Francesco Cossiga, "Gespenster der Vergangenheit abzuschütteln".

Fini begann seine politische Karriere als strammer Neofaschist. Er schlug zwar nicht selbst Kommunisten bei Strassenschlachten zusammen, galt in seiner Partei aber als überzeugter Mussolini-Anhänger. Mitte der neunziger Jahre vollzog er eine radikale politische Wende und machte aus seiner neofaschistischen eine gaullistische Partei mit dem Namen "Alleanza Nazionale". Fortan waren alle alten Sprüche strengstens verboten und wer den Kurswechsel nicht mitmachen wollte, musste gehen.

Seit Gründung der Nationalen Allianz bemüht sich Fini darum, dass seine Partei als demokratische Rechte Italiens anerkannt wird. Er besucht Konzentrationslager und legt an Gedenkstätten Kränze nieder. Die Tatsache aber, dass man in Israel seiner Bitte um einen offiziellen Besuch nicht nachkommen will, stört ihn sehr. Ohne öffentliches Händedrücken mit Politikern in Israel, das weiß Fini, gilt er nicht als Mitglied im Club der rechten und aufrechten Demokraten. Als Außenminister hätte er endlich die Gelegenheit, aller Welt zu zeigen, "dass meine Partei zutiefst demokratisch ist".

Es wird damit gerechnet, dass Berlusconi "in höchstens zwei Wochen", wie er am Dienstag sagte, einen neuen Außenminister nominieren wird. Vermutlich wird Fini den Posten bekommen. Nicht nur, weil er der wichtigste Partner der Mitte-Rechts-Koalition ist, sondern auch, weil Fini seinem Regierungschef treu ergeben ist und, so Oppositionsführer Francesco Rutelli, "nie sein Wort erhebt, wenn Berlusconi die italienische Justiz wieder einmal nach eigenem Gutdünken umbaut, damit er selbst und seine Freunde Nutzen davon haben".

Der Separatist

mig. Der wahre Anti-Europäer heißt Umberto Bossi. Der Chef der separatistischen Lega Nord wettert nicht nur gegen die Europäische Union und den Euro. Auch das vereinte Italien ist ihm ein Dorn im Auge.

Seine politische Karriere verdankt er dem Missmut vieler Norditaliener gegen die Regierung in Rom. Bossi schuf das territoriale Kunstprodukt "Padania". Ziel ist, Padanien von Italien loszulösen. Weil Rom das nicht erlaubte, kreierte Bossi ein padanisches Parlament, eine eigene Währung und eine grüngekleidete padanische Nationalgarde. Was wie politische Folklore wirkt, brachte viele Wähler, und so ist die Lega Nord heute einer der wichtigsten Koalitionspartner von Ministerpräsident Berlusconi.

Gegen Brüssel und die Einheitswährung schimpfend meint Bossi auch, dass Italien "eigentlich kein Außenministerium nötig hat". Dass Berlusconi seit dem Wochenende auch das Amt des Außenministers innehat, findet er deshalb "ausgezeichnet", auf diese Weise "kann man sich viel Geld sparen".

Thomas Migge

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