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Politik: Beifall vom Präsidenten

Johannes Rau fordert Bereitschaft zu Reformen, wie sie das Kanzleramtspapier ankündigt. Der Staat könne nicht alle Probleme allein lösen

Von Hans Monath

Der stellvertretende Regierungssprecher hat sich am Montag alle Mühegegeben: Mit immer neuen Formulierungen relativierte Thomas Steg die politische Bedeutung des Aufsehen erregenden Reformpapiers aus dem Kanzleramt. Es habe „keinen offiziellen Status“, bedeute keine Vorentscheidung und sei noch nicht einmal innerhalb der Planungsgruppe abgestimmt. „Es ist die Grundlage für eine Diskussion, die noch geführt werden soll.“

Die Botschaft vom neuen Tatendrang im Kanzleramt ist aber längst angekommen – und eine heftige Diskussion ist entbrannt. Für alle Welt offensichtlich ist auch der Riss, der quer durch die Regierungspartei SPD geht. Sozial- und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hatte sich alle Mühe gegeben, ihre eigene abweichende Haltung öffentlich zu markieren. Wahltarife für die Krankenversicherung, wie sie das Kanzleramtspapier empfiehlt, lehnt die zuständige Ressortchefin nämlich ab. Sie nahm in der „Welt“ auch gleich den Regierungschef in Mithaftung für ihre Position: „Meine Vorschläge zur Gesundheitsstrukturreform kennt der Bundeskanzler, und er teilt auch meine Auffassungen.“

Das freilich wollte Regierungssprecher Steg so nicht bestätigen. Er bemühte sich, den Kanzler in der strittigen Frage als nicht festgelegt erscheinen zu lassen. Der wisse nämlich, „für welchen Zweck das Papier erstellt worden ist“, und wolle der Planungsklausur nicht vorgreifen, auf der der Vorentwurf im Januar gemeinsam beraten werde.

Unterstützt fühlen dürfen sich die Reformer aus dem Kanzleramt allerdings durch die traditionelle Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten, in der Johannes Rau Politiker und Bürger zu mehr Reformbereitschaft aufrief. „Wenn jeder sich weiterhin auf ein gutes Gesundheitssystem verlassen können soll, wenn wir Beschäftigung sichern und neue Arbeitsplätze schaffen wollen, dann sind Reformen und Veränderungen notwendig“, forderte der Bundespräsident. Politik und Staat könnten allerdings die Probleme nicht allein lösen. Es gehe nur aufwärts, „wenn jeder Einzelne seine eigene Verantwortung und seine eigenen Möglichkeiten erkennt“.

Rau wandte sich dagegen, die Schwierigkeiten des Landes zu verschleiern oder zu leugnen, warnte aber davor, Probleme maßlos zu übertreiben. Er höre in der jüngsten Zeit auch „manches törichte Gerede, als stehe der Untergang Deutschlands bevor“, schimpfte er.

Falls sich die Union von dieser Mahnung getroffen fühlen sollte, ließ sie sich das zumindest am Montag nicht anmerken. Für die grundlegende Reform der Sozialsysteme, wie sie das Strategiepapier empfiehlt, signalisierten einige Unionspolitiker der Regierung jedenfalls Gesprächsbereitschaft. CSU-Generalsekretär Thomas Goppel sagte, er sehe die Regierung mit dem Papier „auf gutem Weg“. Der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse, Hermann-Josef Arentz, forderte allerdings ein offizielles Regierungskonzept als Basis für Konsensgespräche. FDP-Vize Rainer Brüderle dagegen warnte, die Koalition laufe „mit dem Schminkkoffer“ durch die Lande und wolle „die grottenfalsche Politik der Regierung“ übertünchen.

Auf harten Oppositionskurs gegen das Papier ging dagegen der Sozialverband VdK: Sein Präsident warnte die Bundesregierung vor einem Wortbruch. Das Strategiepapier stehe im Gegensatz zu den Koalitionsvereinbarungen, sagte Walter Hirrlinger der Chemnitzer „Freien Presse“. Die Einführung von Grund- und Wahlleistungen bedeute den Einstieg in die Zwei-Klassen-Medizin.

Regierungssprecher Steg wollte übrigens nicht einmal über die Mitglieder der regelmäßig tagenden Planungsrunde Auskunft geben. Von einer Einladung an einen Vertreter des Sozial- und Gesundheitsministerin zu der Planungsrunde im Januar sei ihm nichts bekannt, sagte er auf eine entsprechende Frage. Allerdings wolle er die Anregung an Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier weitergeben.

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