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Politik: Beirut feiert

Die gesamte libanesische Staatsführung erscheint am Flughafen, um die freigelassenen Hisbollah-Kämpfer zu begrüßen / Zehntausende auf den Beinen

Eine Stunde nach der Landung der Bundeswehrmaschine 2010 machte sich der Autokonvoi endlich auf in die Beiruter Innenstadt. Auf der Ausfahrtsstraße zum Flughafen hatten sich schon seit dem frühen Nachmittag zehntausende aus dem ganzen Land angereiste Anhänger der schiitischen Hisbollah-Partei versammelt, um die mit deutscher Vermittlung ausgetauschten Gefangenen zu feiern. Über Kilometer streckte sich das Meer von Transparenten, die Aufschriften wie „Die Gefangenen sind Teil des Widerstandes und der Befreiung“ trugen. Tausende Fahnen der „Partei Gottes“, aber auch die Symbole der eher säkular ausgerichteten schiitischen Amal sowie Hammer und Sichel auf rotem Grund flatterten im lauen Abendwind.

Um kurz nach sieben war die am Nachmittag in Köln-Wahn gestartete Maschine auf dem Beiruter Flughafen gelandet. Angeführt von Scheich Abdel-Karim Obeid, der als erster der Gefangenen von Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah in Empfang genommen wurde, stiegen die teils anderthalb Jahrzehnte lang Inhaftierten aus dem Flugzeug, die Finger zum Victory-Zeichen gespreizt. Obeid war 1989 von israelischen Spezialeinheiten gekidnappt worden, weil er für das Schicksal des israelischen Piloten Ron Arad verantwortlich gemacht wird, dessen Verbleib in einer zweiten Stufe des vom Bundesnachrichtendienst (BND) ausgehandelten Gefangenenaustauschs geklärt werden soll.

Neben Funktionären der von den USA als „terroristisch“ eingestuften politisch-militärischen Organisation, die mit zwölf Abgeordneten im Parlament vertreten ist, waren auch Staatspräsident Emile Lahoud, Premierminister Rafik Hariri sowie 250 weitere politische und religiöse Repräsentanten zu dem in libanesischen Medien als „zweite Befreiung“ bezeichneten Empfang gekommen. Im Mai 2000 hatten israelische Truppen die fast zwei Jahrzehnte währende Besatzung der südlichen Gebiete des Libanon beendet – ein schon damals von der Hisbollah als Erfolg ihres „Widerstandes“ gegen das „zionistische“ Nachbarland reklamiertes Ereignis. Nach einem Empfang im Hisbollah-Hauptquartier im mehrheitlich schiitisch besiedelten Süden der libanesischen Hauptstadt wollten die ersten der freigelassenen Libanesen bereits im Laufe der Nacht in ihre Geburtsdörfer im Süden des Landes und in die an Syrien angrenzende Bekaa-Ebene zurück kehren.

Markus Bickel[Beirut]

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